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Ferrara Jüdisches Ferrara

 

 

 

 

 

 

Das Jüdische Ferrara
Das ehemalige Ghetto in Ferrara ist in seiner ßausubstanz noch wundervoll erhalten und bildet mit seinen drei Synagogen einen der geheimnisvollsten Teile der Stadt.

Die jüdische Gemeinschaft erlebte im 15. Jh. eine außerordentliche wirtschaftliche und kulturelle Blütezeit, auch weil die Este den Juden Schutz gewährten und viele Flüchtlinge aus anderen Nationen wie Spanien, Portugal und Deutschland aufnahmen.

Aus der relativ großen Bevölkerungsgruppe gingen diverse Künstler aber auch viele Intellektuelle hervor. Es entstanden verschiedene Synagogen, die erste Druckerei (1476) und eine blühende Rabbinerakademie, die davon zeugte, dass Ferrara als eines der wichtigsten Zentren der jüdischen Kultur in Italien gelten konnte.

Dennoch mussten die Juden, nachdem Ferrara an den Kirchenstaat zurückgegeben worden war, strenge Auflagen und Einschränkungen hinnehmen; diese mündeten 1627 in die Einrichtung des Ghettos, das bis zur Gründung des italienischen Nationalstaats Mitte des 19. Jh. existierte.

Unter den Rassegesetzen erlitten die Juden große Verluste und Demütigungen und mussten hilflos zusehen, wie man die Synagogen gewaltsam entweihte und einen Großteil der kostbaren Dokumente des Archivs der Bibliothek zerstörte.

Ein Rundgang durch das Ghetto
Nahe dem Glockenturm der Kathedrale, rechts von dem ehemaligen Oratorium San Crispino beginnt Via Mazzini, die einstige Hauptachse des jüdischen Ghettos.

An der Außenmauer über dem ßuchladen links oben erkennt man eine Gedenktafel, die an die Errichtung des Ghettos erinnert.

Die alte Synagoge, die noch immer als solche benutzt wird und über ein sehenswertes jüdisches Museum verfügt, befindet sich in Via Mazzini Nr. 95. Zwei Gedenktafeln rechts und links von der Eingangstür erinnern an die Verfolgung und Deportation der Juden in der Zeit des Faschismus.

Das Jüdische Museum ist gegenwärtig in sechs Räumen im oberen Stockwerk eingerichtet. Im ersten Raum befinden sich Stücke aus der jüdischen Gemeinde von Cento aus dem 19, Jh.

Im zweiten und dritten Raum sind zahlreiche Kultgegenstände aus unterschiedlichen Epochen zu sehen, die großteils bei Festen und religiösen Feierlichkeiten benutzt wurden, darunter eine Darstellung des Seder, des jüdischen Passah-Festmahls.

Im vierten Raum sind Pläne und Zeichnungen von dem Gebäude der Synagoge und der zerstörten Spanischen Synagoge ausgestellt.

Im fünften und sechsten Raum gibt es zahlreiche Gegenstände und Dokumente, die das Leben der jüdischen Gemeinde in Ferrara veranschaulichen. Die Ausstellungsstücke reichen von der entlegenen Vergangenheit bis in die heutigen Tage und verweisen auf bedeutende Zusammenhänge zwischen der italienischen und der europäischen Geschichte.

In den zwei kleineren Straßen des Ghettos Via Vignatagliata und Via Vittoria reihen sich in reizvoller Abwechslung Häuser aus unterschiedlichen Stilepochen, vor allem aber aus dem Mittelalter auf.

In Via Vignatagliata gibt es einige Häuser mit sehr schönen Gesimsen und reich dekorierten Portalen. Das Haus Nr. 33 gehörte Isacco Lampronti, einem Rabbiner, Arzt und Philosophen, der von 1679 bis 1756 lebte und
eine der bekanntesten Enzyklopädien des Talmuds (20 Bände) schrieb.

Während im Haus Nr. 49 das jüdische Brot gebacken wurde, gingen die Kinder im Haus Nr. 79 in den Kindergarten und die Grundschule, die zur Zeit der Rassegesetze als Schule für alle jüdischen Schüler der Stadt diente.

Gleich hinter der kleinen Piazzetta Lampronti, an der einige Häuser mit Terrakotta-Friesen und schmiedeeisernen ßalkonen liegen, verläuft Via Vittoria.

In dieser Straße im Haus Nr. 41 befand sich früher die Spanische Synagoge, deren Einrichtungsgegenstände heute zum Teil im Jüdischen Museum untergebracht sind.

An der Via Contrari, die außerhalb des Ghettos lag, erkennt man an den Außenmauern einiger Häuser noch einige vermauerte Türen und Gitter an den Fenstern.

Unterhalb der Stadtmauern in der Via delle Vigne liegt der jüdische Friedhof, der im 17. Jh. gegründet wurde und noch heute benutzt wird. Es ist eine wundervoller Ort der Stille, der zwar innerhalb der Stadt liegt, aber dennoch ganz vom Grün der Natur umgeben und umrankt ist.

Hier liegt der Schriftsteller Giorgio Bassani begraben, dessen bekanntestes Werk zweifellos der auch von Vittorio De Sica verfilmte Roman „Der Garten der Finzi Contini" ist.

Zuweilen trifft man in Ferrara Touristen, die den Garten der Finzi Contini suchen und enttäuscht sind, wenn sie erfahren, dass es sich bei diesem Garten um eine Erfindung Bassanis handelt, ßassani hat jedoch darauf hingewiesen, dass er den Garten in seiner Phantasie in dem weiten grünen Gebiet rings um den Friedhof ansiedelte, der vor dem 2. Weltkrieg noch viel spärlicher als heute besiedelt war.

Die Liebhaber des Romans sollten bei einem Gang um den Friedhof dennoch auf ihre Kosten kommen. Man braucht nur von Piazzale San Giovanni aus ein Stück auf den Stadtmauern nordwärts gehen und nach einigen hundert Metern einen Weg zwischen Wiesen und Hecken einschlagen.

Sobald man in Via delle Erbe ist, hat man das Gefühl, in eine Welt ohne Zeit versetzt zu sein, und wenn man dann den Gerüchen und Geräuschen der Natur folgt, könnte man meinen, dass man Nicol und Alberto hört, die auf ihren Rädern an einem vorüber fahren.