Vom Largo Zecca zur Piazza De Ferrari: Die Straßentunnels
Die Genuesen hatten nie besondere Sympathie für die Straßentunnels, die ab dem Largo Zecca die Kontinuität des Stadtbildes unterbrechen, und es ist ihnen nicht gelungen, sie in irgendeiner Weise zu charakterisieren.
Dabei war die Realisierung dieser wichtigen Verkehrsader im Jahr 1927, ein Jahr nach der Gründung der Großgemeinde «Grande Geno-va», d.h. Eingliederung aller ehemals selbständigen Gemeinden an der westlichen bzw. östlichen Peripherie in die Stadtgemeinde, eine der wichtigsten Voraussetzungen für den West- Ost- Verkehr in der neuen Metropole.
Der erste Tunnel führt durch den Hügel Castelletto und die Garten der Via Garibaldi bis zur Piazza del Portello (hier befand sich ein altes Stadttor), von wo aus der historische Stadtkern über die Via Interiano, und die Höhenstraße «Circonvallazione a monte» über die ansteigende Via Calfaro zu erreichen sind. Außerdem führt der Aufzug «Castelletto» und die Standseilbahn «Sant'Anna» in die höher-gelegen Stadtviertel.
Die Stadt konnte sich mit diesen düsteren Tunnels niemals richtig anfreunden; parallel zu diesen zweifellos funktionellen Verbindungsstraßen existiert eine ganze Reihe von Aufzügen und Seilbahnen, die die vertikal angelegten Siedlungsschwerpunkte miteinander verbinden.
Der Tunnel Nino Bixio verläuft unter einer Parkanlage bis zur Piazza Corvetto. Von hier aus beginnt unser eigentlicher Rundgang.
Erst im 19. Jahrhundert begann man, größere Plätze anzulegen, von denen aus sternförmig in allen Richtungen Verbindungsstraßen trassiert wurden. Piazza Corvetto hat diese runde, offene Form und trotz des starken Verkehrs, der sie belastet, scheint sie unberührt und heiter wie ein Garten.
In ihrem Mittelpunkt erhebt sich das Reiterstandbild Viktor Emanuels II und an zwei Seiten wird sie von Parkanlagen umrahmt; berg-wärts führen Straßen, deren streng-feierlicher Dekor die Bourgeoisie des vergangenen Jahrhunderts ins Gedächtnis ruft.
Via Martin Piaggio führt zur Kirche der Kapuziner und zu den Prosatheatern, die alle nach den Zerstörungen des zweiten Weltkriegs wieder neu aufgebaut werden mußten. Besonders die kulturellen Institutionen, wie Museen und Theater, waren in Genua von den Bombenangriffen besonders betroffen worden.
Via Serra führt weiter nach Osten und bildet die natürliche Fortsetzung der Tunnels in Richtung des Bahnhofs Brignole, obwohl sie mindestens 50 Jahre früher als diese gebaut worden war, als hier das Landschaftsbild noch von wunderschönen Parkanlagen und Villen bestimmt war. Eine andere Straße, Via Roma, führt in das alte Stadtviertel Piccapietra, das vor einigen Jahrzehnten abgerissen und neu erbaut wurde.
Gemäß einer im Jahre 1878 groß angelegten Stadtplanung hatte diese Hauptader die Aufgabe, die neuentstandenen Viertel auf den nahen Hügeln mit dem Stadtzentrum zu verbinden.
Der Palazzo della Prefettura (Palais der Präfektur) war zur Zeit seiner Errichtung (Hälfte 16. Jh.) für den Admiral Antonio Doria ein völlig isolierter Bau und war es weitere drei Jahrhunderte lang geblieben; inzwischen hatte er den Besitzer gewechselt und den Namen Spinola erhalten.
Als er in das Stadtbild eingeplant wurde, mußte er eine Kante einbüßen und sein Erdgeschoß wurde tiefer angesetzt. Im Inneren ist seine Freskendekoration und einer der schönsten Innenhöfe der genuesischen Renaissance sehenswert. Salita Santa Caterina führt von hier zur historischen Piazza Fontäne Marose.
Wer ein besonderes Interesse für Portale hat (zwei genuesische Portale befinden sich im Victoria und Albert Museum in London), der sollte am Palazzo Pessagno (Nr. 5, Bergamasco, um 1560) mit den zwei weiblichen Büsten in manieristischem Stil nicht vorübergehen.
Am kleinen Platz Eros Lanfranco zwischen einem Möbelgeschäft und einem Bankgebäud-de befindet sich der Eingang zur Kirche Santa Marta aus dem 13. Jahrhundert. Aus dieser Zeit ist jedoch nur der Kreuzgang erhalten geblieben, der als Bibliothek (Biblioteca Franzoniana) Verwendung findet.
Begründer war im 17. Jahrhundert der Abt P.G. Franzoni. Im 16. und 17. Jahrhundert wurde die Kirche mit einem schönen Freskenzyklus ausgeschmückt, woran die bedeutendsten Meister dieser Periode teilhatten (V. Castello, D. Piola, G.B. Carlone).
Die Marmorskulptur Santa Maria in gloria auf dem Altar stammt vom genuesischen Bildhauer F. Parodi.
Auch Via Roma ist eine bürgerliche Straße: Büros und Kanzleien wechseln hier mit exklusiven Geschäften ab, deren Kundschaft im Ruf steht, wie die Genuesen im allgemeinen angelsächsische Wesenszüge zu haben. Auch Genua hat seine überdachte Galleria G. Mazzini, die wie die parallel verlaufende Via Roma eine Geschäftsstraße ist: die Genuesen, so scheint es, lieben es nicht, im Freien zu sitzen, nicht einmal in ihren schönsten Straßen.
Die Galleria Mazzini ist nur zu den Feiertagen, z.B. zu Weihnachten, mit geschäftigem Leben erfüllt, wenn der jährliche Büchermarkt hier abgehalten wird.
Piazza De Ferrari vereinigt zwei ehemals differenzierte Stadtgebiete in dem einzigen zentralen Begriff des Hauptplatzes. Nachdem die Stadt jahrhundertelang Raumnot gelitten hatte und «in sich selbst» gewachsen war, indem sie ihre Gebäude modifizierte und umstrukturierte, wird hier zum ersten Mal das ehrgeizige Bestreben deutlich, die modernen Viertel um einen zentralen Platz anzusetzen.
Es war durchaus kein Zufall, daß eben dieser Platz nach dem Herzog Raffaele De Ferrari benannt wurde, der sich im ausgehenden 19. Jahrhundert der Stadt gegenüber als großzügiger, liberaler Wohltäter verdient gemacht hatte.
Dem Architekten Carlo Barabino ist der Plan für die neuen Stadtviertel des 19. Jahrhunderts zu verdanken, darunter auch der Bau der Via XXV Aprils (ehemals Carlo Felice) in den Jahren 1825-28, als die Stadt schon unter der Herrschaft Savoyens stand, sowie auch der erste Teil des Platzes zwischen den beiden neuklassizistischen Fassaden der Palazzi «Dell'Accademia» und «Banco di Roma».
Dazwischen erhebt sich die Vorhalle des Opernhauses Carlo Felice, das im 2. Weltkrieg zerstört wurde. Nach mehr als 40 Jahren und nach langen Debatten bezüglich seiner Wiedererrichtung wird dieses von den Genuesen vielgeliebte Gebäude erst in diesen Jahren wieder aufgebaut. Der Stil des neuen Theatergebäudes könnte vielleicht am besten als «postmodern» bezeichnet werden.
Im ersten Stock der im 18. Jahrhundert gegründeten Accademia Ligustica di Belle Arti befindet sich die Bildergalerie der Accademia, die für die Kenntnis der genuesischen Malerei des 16. und 17. Jahrhunderts von grundlegender Bedeutung ist. Hinter den neuklassizistischen Fassaden (XXV Aprile-De Ferrari) wird der moderne Gebäudekomplex der «Cassa di Risparmio di Genova e Imperia» sichtbar.
Auch in den Repräsentanzräumen der Sparkasse werden zahlreiche Meisterwerke der Malerei, teilweise aus dem Besitz adeliger Familien, aufbewahrt.
Auf der anderen Seite des Platzes, gegenüber den obengenannten neuklassizistischen Bauten und der Seitenfront des Dogenpalasts wurden am Ende des vorigen Jahrhunderts die Gebäude der Neuen Börse und der heutigen Versicherungsgesellschaft Italia, sowie die einiger Banken errichtet, die auch diesem Teil eine gewisse feierliche Monumentalität verleihen.
Nachdem die Stadt auf alle die kleinen Brunnen und Bache hatte verzichten müssen, die ehemals die Altstadt bewässerten, hat sie den großen Springbrunnen im Mittelpunkt der Piazza De Ferrari zum Symbol der Einheit des Platzes und der Stadt erhoben, ein Symbol, das sogar das Denkmal Giuseppe Garibaldis in den Schatten stellt.