Die Mole
Die im vorigen Jahrhundert erbaute lange Hafenstraße (Circonvallazione a märe) mit ihren Teilstücken Via Gramsci (ehemals Carlo Alberto, 1839), Piazza Cavour und Via M. Quadrio (1870) hat Hafen und Stadt endgültig voneinander abgetrennt und das Gebiet der Alten Mole in gewisser Weise vom Stadtgebiet ausgeklammert.
Mehr als anderswo überlebt jedoch hier Gemeinschaftssinn und Solidarität, und es ist kein Zufall, daß die Gemeinde hier ein erstes umfassendes Sanierungsprogramm angesetzt hat, um diesem Viertel wieder zu seiner einstigen Würde zu verhelfen.
Diese kleine Halbinsel bildete die natürliche Begrenzung der alten Reede Mandraccio und war eine der frühesten Siedlungen, die mit der Hafentätigkeit schon immer in engster Beziehung stand.
Hier befand sich ehemals der Pa-lazzo der «Conservatori del Porto e del Molo» (Bewahrer des Hafens und der Mole), denen ein wichtiges Amt übertragen war, wenn man bedenkt, daß diese alte Mole zwischen den Jahren 1283 und 1821, als eine außergewöhnlich starke Sturmflut vierzig im Hafen liegende Schiffe zum Kentern brachte, mindestens zehnmal verlängert und befestigt wurde.
Im 16. Jahrhundert war sie bereits so imposant, daß man sie als ein wahres Wunderwerk der Stadt betrachtete. Nichts destoweniger folgten weiter Seestürme und eine besonders verheerende Sturmflut wurde der Anlaß für eine Prozession mit dem Reliquienschrein mit der Asche Johannes des Täufers, während der das Wasser zum Zweck der Bezähmung der Naturgewalten gesegnet wurde.
Diese Prozession findet noch heute jedes Jahr am 24. Juni, Fest des Schutzheiligen, statt, auch wenn sie nur mehr bis zum Palazzo San Giorgio und nicht mehr bis zur alten Mole geht.
In einer Nische zu Beginn der Via del Molo lautet eine In schrift: «Moles esto et mollias» (Erhebe dich, o Schutzwall, und besänftige die Stürme!). Eine «Prozession» ganz anderer Art stellten bis 1855 die Züge der zum Tode Verurteilten dar, die unter großer Beteiligung Schaulustiger den letzten Segen auf der Piazza San Marco erhielten und weiter zur Richtstätte ans äußerste Ende der Mole geführt wurden.
Das Haus Nr. 29 mit den großen1 Spitzbogen im Erdgeschoß soll der Überlieferung nach das Haus des Henkers gewesen sein. Eigenartig ist, daß die Kirche des «Molo Vec-chio» (1173) ausgerechnet dem Schutzpatron Venedigs, der großen Rivalin, gewidmet ist; ein Basrelief mit dem Symbol des venezianischen Löwen wurde 1380 in Pula (Istrien) erobert und an der Seitenwand dieser romanischen Basilika angebracht. Das imposante Gebäude an der Via del Molo, dessen Portal das Wappen der Dynastie Savoyen schmückt (ehemals Palazzo Brignole Säle), war ursprünglich ein Getreidesilo.
Die Namen der engen Gäßchen rühren von den Werkstätten der Handwerker her, die hier zahlreich anzutreffen waren (Vico Ferrari, Vico dei Bot-tai); größere Bauten (z.B. Ecke Vico Malatti und Vico Palla) dienten der «Magistratura del-l'Abbondanza» als Lagerhäuser für Salz und Lebensmittelvorräte, die in Zeiten der Hungersnot an die Armen ausgeteilt wurden.
In einem davon ist seit 1921 ein öffentliches Armenhaus untergebracht. Diese Vorratskammern dienten der Bevölkerung bis zum Bau der großen Silos, die noch heute zwischen dem alten Hafenbecken und dem Seebahnhof zu sehen sind.
Am äußersten Ende der Via del Molo befand sich die Porta Siberia, deren Name wohl auf das Wort «cibaria»(cibo = Speise) zurückzuführen sein dürfte und damit auf die Getreidesilos, die in diesem Viertel in großem Maße vorhanden waren. Die Porta del Molo Vecchio dagegen wurde nach einem Entwurf von Galeazzo Alessi (1551-53) als Bollwerk der Küstenmauern, die den Stadtteil Sarzano mit der alten Mole verbanden, erbaut.
An der Außenfront stehen zwei Basteien als «Wächter» an beiden Seiten des Tors, die Innenfront wird dagegen von einem eindrucksvollen dreiteiligen dorischen Säulengang gebildet, der die Funktion eines Durchgangs hatte. Im Inneren konnte eine ganze Garnison beherbergt werden.
Dieses Tor ist ein architektonisches Meisterwerk des 16. Jahrhunderts, auch wenn es seine Rolle als Zollinie und Durchgang zur Stadt nach dem Bau der Kais Mandraccio und Mari-netta aufgeben mußte.
Gut erhalten ist noch der Teil der Mauern Mu-raglietta und Mura di Malapaga (ein bekannter Film mit diesem Titel und mit Jean Gabin in der Hauptrolle spielte im Genua der Nachkriegsjahre), die die Porta del Molo mit dem «Casone di Malapaga» verbanden, einem Gefängnis, das im 14. Jahrhundert für zahlungsunfähige Schuldner errichtet worden war.
Dieser berüchtigte Kerker befand sich ungefähr an der Stelle der heutigen Kaserne der Zollwacht an der Piazza Cavour.