Stadtmauern und Festungen
Zwischen den Jahren 1626 und 1633 ging die «Serenissima Repubblica» Genua zum letzten Mal daran, die von natürlichen Gebirgsketten umgebene Stadt mit einem gewaltigen Mauergürtel zu versehen, der sie vor allen von der Potiefebene kommenden Gefahren schützen sollte.
Gemälde und Skulpturen, die ab 1637 die Krönung der Jungrau Maria zur Königin und Schutzherrin der Stadt zelebrieren (die Bronzeskulptur auf dem Hauptaltar der Kathedrale San Lorenzo ist von G.B. Bianco nach einem Entwurf von D. Fiasella), stellen zu Füßen der Gottesmutter die von einem doppelten Mauerring umgebene Stadt dar.
Der innere aus dem 16. Jahrhundert, der sich eng um sie schmiegt, und der spätere der «Neuen Mauern», der das Relief der Berge nachzeichnet und von Bollwerken unterbrochen wird.
Dieses Bild einer befestigten, uneinnehmbaren Stadt wurde in den Städten und an den Höfen Europas verbreitet und auch der Papst und der spanische König wurden davon in Kenntnis gesetzt. Ein Rundgang über die historischen Befestigungsanlagen gibt heute auch die Möglichkeit, die Stadt in ihrer ganzen Ausdehnung kennenzulernen: es ist wohl dereindrucksvollste Blick auf Stadt- und Küstenlandschaft.
Piazza Manin bildet die Grenze zwischen dem oberhalb der modernen Viertel verlaufenden Teil der «Neuen Mauern» (Mura dello Zerbino) und dem teilweise noch gut erhaltenen Mauerring der nördlichen Hügel, dessen Teilstücke verschiedene Namen tragen.
Das erste Stück verdankt seinen Namen der Kirche San Barto-lomeo degli Armeni und führt über die Via C. Cabella zum Castello Mackenzie, das alle möglichen mittelalterlichen Stilelemente originell kombiniert. (G. Coppede hat außer diesem Gebäude noch weitere «pastiches» in einer Mischung aus Mittelalter und Jugendstil, besonders im Osten der Stadt, kreiert).
Die Mauern tragen dann in der Reihenfolge die Namen San Bernardino, Sant'Erasmo und schließlich Chiappe, kurz vor dem Gipfel des Righi. Hier befindet sich die Endstation der Standseilbahn Zecca-San Nicolö-Righi, die übereinanderliegende Wohnviertel verbindet und von vielen Genuesen zum Sonntagsaus-, flug benutzt wird.
Von diesem Belvedere aus geht der Blick nach NO auf das Bisagno-Tal und den Friedhof Staglieno; die östlichen Forts auf den Gipfeln der Bergkette sind durch eine Militärstraße verbunden.
Dieser Festungsring, dessen zentraler Teil mit den Stadtmauern des 16. Jahrhunderts verbunden ist, wurde anläßlich der ersten österreichischen Belagerung (1746-48) von einer Gruppe von Militäringenieuren unter der Führung des Marschalls Sicre (De Cotte, Vinzoni, Codeviola, Brusco) begonnen; auf diese Belagerung bezieht sich die berühmte Episode des Balilla, die die Genuesen zum Widerstand in den strategisch günstig gelegenen Wallfahrtskirchen nötigte.
Der Bau wurde während der 2. österreichischen Belagerung (1800), die Genua an den Rand der Hungersnot brachte, wieder aufgenommen; oberstes Kommando hatte damals der mutige, aber unglückliche Marschall Massena. Die endgültige Fertigstellung der Befestigungsanlage erfolgte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch die savoyischen Pioniertruppen.
Vom Righi aus gesehen ist das nördlichste Fort das Fort Quezzi; sein verfallenes, aber doch noch imposantes Mauerwerk ist aus großer Entfernung zu sehen und in dem relativ gut erhaltenen, mit Pechnasen versehenen Turm war bis in die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts eine Trattoria untergebracht.
Diese runden, zum Teil erhaltenen Wehrtürme, die in den Seitentälern häufig anzutreffen waren, waren durch Laufgräben mit der gesamten Befestigungsanlage verbunden und bildeten eine erste Verteidigungslinie. Weiter östlich erhebt sich auf dem gleichnamigen Hügel (560 m u.d.M.) das Fort Ratti.
Mit seiner Länge von 200 Metern folgt es dem Relief des Bergrückens ähnlich der ebenso verlaufenden Silhouette des «Biscione», eines langgezogenen, 1960 erbauten Wohnblocks am Hang des Hügels Quezzi. Dieses mit sparsamen Mitteln errichtete Gebäude (einige Teile sind geradezu baufällig) ist ein Symbol des von der Urbanisierung stark verunstalteten Gebiets.
Diese Forts auf den östlichen Gebirgen können ohne weitere Formalitäten besichtigt werden (Ausgangspunkt Quezzi, der mit dem Autobus bequem erreicht werden kann); eine Ausnahme bildet das darauffolgende Fort Richelieu, an dessen Frontseite eine Feldschanze aus dem 18. Jahrhundert (G. Sicre) erhalten Ist; den Eingang schützen zwei große Basteien.
Es verdankt seinen Namen dem Feldmarschall Armand Du Plessis de Richelieu, der Genua in den Jahren 1746-47 gegen die österreichischen Belagerer verteidigte.
Heute sind hier die Fernsehantennen einer Relaisstation aufgestellt. Die im Osten auf immer niedriger werdenden Hügeln gelegenen Forts Santa Tecla beim Wallfahrtsort del Monte, San Martino im gleichnamigen Stadtviertel östlich des Krankenhauses und San Giuliano an der Küste sind vom Righi aus nicht zu sehen.
Gut sichtbar sind hingegen die an der Wasserscheide aufgereihten Forts zwischen den beiden Tälern Polcevera und Bisagno, die ein Höhenweg mit dem Fort Sperone auf dem höchstgelegenen Punkt des Festungsrings verbindet. Der Name des Forts Ruin, dessen Basteien sternförmig um einen quadratischen Turm angeordnet sind, stammt von der dialektalen Bezeichnung des Orts «Ridotta dei pani» (Feldschanze der Brote), eines Vorpostens im Verpflegungssystem für die äußerste Verteidigungslinie.
In strategisch wichtiger Lage erhoben sich an den Hängen des Tals Polcevera zwei Forts, die «Fratelli» (Brüder) genannt wurden; heute ist nur mehr das kleinere («Fratello Minore») erhalten.
Um diese Wehranlagen entbrannten im Jahre 1800 heftige Kämpfe, bei denen der Dichter Ugo Foscolo verwundet wurde. Besondere Erwähnung verdient das Fort Diamante auf dem gleichnamigen Berg, die äußerste, auf einer Höhe von 670 m u.d.M. gelegene Festung aus dem 18. Jahrhundert.
Der von weitem sichtbare, gewaltige Bau mit seinen regelmäßig angelegten Geschützpforten und den robusten Bollwerken innerhalb des doppelten, sternförmigen Mauerrings ist für die Genuesen ein vertrautes Bild und Ziel beliebter Sonntagsausflüge, besonders in den Frühlingsmonaten.
Eine Besichtigung ist möglich, jedoch ist wegen zahlreicher baufälliger Teile besondere Vorsicht geboten. Der Rundgang führt weiter längs der Mauern (die hier den Namen «delleChiappe» tragen) in Richtung des Forts Castellaccio und des Turms della Specola, wo die meteorologische Station der Marine untergebracht ist.
Hier war noch bis zu Beginn des 2. Weltkriegs täglich um 12 Uhr der rituelle Kanonenschuß üblich. Das Fort Castellaccio ist als Teil der Neuen Mauern auf den historischen Illustrationen klar erkenntlich, sein Name wird aber auch schon in alten Chroniken aus dem 14. Jahrhundert erwähnt.
Es wurde von den Weifen gegen die Belagerung seitens der Gibellinen errichtet und in den folgenden Jahrhunderten mehrmals umgebaut.
Heute untersteht es dem Verteidigungsministerium und dient militärischen Zwecken. Durch die Porta del Ca-stellaccio führt der Weg weiter aufwärts zum Gipfel des Monte Peralto, dem nördlichsten Punkt der Mauern.
Das Fort Sperone (512 u.d.M.) erweckt hier den Eindruck einer befestigten Zitadelle. Dieser Komplex, der zwischen dem 16. und dem 19 Jahrhundert errichtet wurde und sich den Höhenunterschieden des Bodens anpaßt, verfügt über zwei Kasernen, zwei Pulverkammern, Waffenlager, eine große Zisterne, Lagerräume, eine Kapelle und Unterkünfte für die Offiziere und den Militärgeistlichen.
Die Spitze des höchsten Bollwerks richtet sich gegen Norden dem ehemaligen Laufgraben zu, der vom Fort Sperone zu den Festungen im Hinterland führte. Der Bergrücken des Monte Peralto teilt somit das Stadtpanorama in zwei Hälften: rechts der um den Hafen gewundene Altstadtkern und die Hügel von Carignano bis zum Leuchtturm, links der Osten der Stadt von Boccadasse nach Quinto mit dem für touristische Zwecke genutzten Küstenstreifen.
Beim Abstieg über die Via Peralto verschieben sich die Umrisse der beiden Veduten. Gegen Osten geht der Blick vom äußersten Stadtviertel Nervi über Buchten und Vorgebirge bis zum Berg von Portofino, während im Westen ein einheitlicher urbaner Streifen vom Hafen bis in das Tal des Bisagno reicht.
Vom Fort Begato aus erscheint die Stadt dann endlich in ihrer ganzen Ausdehnung und der bis zu den modernen Kais in San Pier d'Arena reichende Hafen bildet wirklich das dominierende Element.
Die schmalen, langen Ölschiffe, die draußen im Westen vor Anker liegen, haben zwar die Galeeren mit ihren stolzen weißen Segeln abge löst, die uns die Vedutenmalerei des 17. Jahrhunderts überliefert; dennoch könnte sich optisch eine Assoziation zwischen den beiden Bildern spontan ergeben.
Das Fort Begato, dessen Gründung bis auf das 17. Jahrhundert zurückgeht, wurde, so wie wir es heute sehen, in den ersten zwei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts von savoyischen Pioniertruppen errichtet.
Der massive Bau hat einen quadratischen Grundriß, vier Bollwerke an den Ecken und ein Brücke aus Mauerwerk. Die Nlura del Garbo führen bergabwärts bis zur Porta di Granarolo, die schon in einem anderen Kapitel erwähnt wurde; von der etwas unterhalb verlaufenden Via ai Piani di Fregoso geht der Blick auf das Tal und die Mündung des Polcs-vera, sowie auf den Stadtteil Sestri jenseits des Hügels Bavari.
Der Rückweg erfolgt talabwärts über Via Baitolomeo Bianco. Das von dieser Entfernung aus eher unscheinbare, hinter Mauern verborgene Fort Tenaglia kann sich seiner Zugbrücke und einer beachtlichen Geschichte rühmen. Es gehört nämlich neben den Forts Castellaccio und Sperone zu den ältesten Festungsanlagen; im 16. Jahrhundert war es unter dem Namen «Bastiadi Promonto-rio» bekannt und wurde im 19. Jahrhundert umgebaut.
Die Forts Belvedere und Crocetta beschließen im Westen oberhalb von San Pier d'Arena den Ring der Mauern, sie sind aber von hier aus nicht zu sehen.
Der letzte Teil der Stadtmauer, die sogenannten Mura degli An geli, fallen fast senkrecht vom gleichnamigen Hügel zum Meer ab. Ein Stadttor aus dem 18. Jahrhundert ist noch gut erhalten. Über die kurvenreiche Via San Bartolomeo del Fossato, die an den Friedhof della Castagna und an die Autobahneinfahrt grenzt, geht es zurück zur Stadt.
Die Rundfahrt endet eigentlich am Leuchtturm, der zwar 1543 erbaut, aber erst im 17. Jahrhundert mit den Stadtmauern in Verbindung gesetzt wurde. Für die Besichtigung dieses historischen Bauwerks ist eine Genehmigung durch die Hafenpolizei erforderlich.