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Genua Rundgänge und - fahrten in Genua

 

 

 

 

 

 

     
Genua
  Von der «Ripa» zum Dogenpalast
   
     

 

Vom Stadttor Porta Soprana zur Piazza San Giorgio

Die Porta dei Vacca und die Porta di Sant'An-drea oder Soprana (1155) sind die zwei einzigen Stadttore, die uns von den mittelalterlichen Befestigungsanlagen erhalten sind.

In ihrer suggestiven Monumentalität hatten sie immer schon große geschichtliche Relevanz für Genua, dessen Name im Mittelalter ethy-mologisch auf das lateinische «janua» ( = Tor) zurückgeführt wurde.

Heute tendiert man eher zu einer Ableitung aus «gena» ( = Wange, Mund) im Sinne einer Stadt-Mündung, oder aus «genu» ( = Knie) mit Bezug auf die Form seines natürlichen Hafens.

Einer mittelalterlichen Sage zufolge soll die Stadt von Janus, dem Gott mit den zwei Gesichtern und Wächter der heiligen Pforte, die Krieg und Frieden trennt, gegründet worden sein. Genua ist also beides, Tor zum Meer und Tor zum Land, und die Stadttore, die den Eintritt innerhalb des Mauerrings gewähren, waren in jeder Epoche Symbol ihrer stolzen Autonomie, aber ebenso ihrer vielfältigen Handelsbeziehungen.

Das ist der tiefere historische Sinn der Inschrift an der Innenseite des östlichen Stadttors, der sogenannten Soprana, die sich auf einem kleinen Hügel erhebt: «Im Namen des allmächtigen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Ich bin mit Menschen versehen, von bewunderungswürdigen Mauern umgeben, und mit meiner Kraft halte ich die feindlichen Waffen fern. Wenn du Frieden bringst, sei dir gewährt, diese Tore zu berühren; forderst du aber Krieg, wirst du enttäuscht und besiegt zurückweichen. Süd und West, Nord und Ost wissen, welcher Kriegswirren ich Herr geworden bin, ich Genua und befestigtes Stadttor».

Die strategische Bedeutung der Porta Soprana sank, als in der Hälfte des 14. Jahrhunderts eine neue Stadtmauer errichtet wurde. Erst im 20. Jahrhundert haben sie fachgerechte Restaurierungsarbeiten wieder in ihrer ursprünglichen Form und Monumentalität freigelegt.

Gleichzeitig mit der verminderten Bedeutung dieses Stadttors geriet auch das alte, dahinter liegende Stadtviertel des Piano Sant'Andrea mit seinen fächerförmig dem Hafen zu laufenden Gäßchen und Straßen in zunehmenden Verfall.

Dieser Rundgang ist von grundlegender Bedeutung für das Verständnis der Stadt und ihrer ersten Entwicklungsphasen; an unzähligen kleinen Plätzen wird deutlich, wie sich die verschiedenen Territorien und Besitze adeliger Familien und ihres Gefolges, aber auch religiöser Orden aneinanderreihten, wie viele vom letzten Krieg herrührende Wunden heute noch nicht verheilt sind, wie viele historische Bauwerke dem Verfall geweiht scheinen, obwohl Ausgrabungsarbeiten und Sanierungsproiekte in vollem Gange sind, wie lebendig das Handwerk in diesen Gäßchen heute noch ist.

Es ist ein sehr gegensätzlicher Eindruck, der hier vermittelt wird, zwischen erstarrtem Gestern und dynamischem Heute, zwischen Dekadenz und Wiedererstehung.

Vom Piano di Sant'Andrea führt die Via di Porta Soprana längs des ersten Siedlungskerns In Richtung der modernen Stadtviertel. Die Sallta del Prione führt zur Piazza delle Erbe, wo früher ein Gemüsemarkt war; über die Via Ravecca, in der noch einige mittelalterliche Häuser neben Nachkriegsbauten erhalten sind, gelangt man zur Piazza Sarzano, dem größten, das Viertel dominierenden Platz.

Ursprünglich unterstrichen zwei identische Brunnen in der Form kleiner Pavillons (einer ist noch zu sehen) die Dimensionen dieses länglichen Platzes, dessen Südseite direkt auf das Meer blickt, während die anderen drei Seiten grandiose Kirchen-und Klosterbauten säumten.

Trotz verfallener Mauerreste und baufälliger Gebäude ist dieses Gebiet dank der Bestrebungen der Bevölkerung, der vielen kleinen Märkte und dank imponenter Restaurierungsarbeiten, die die Vitalität der Stadt gerade dort bezeugen, wo ihrer Geschichte und Kultur der Untergang droht, durchaus nicht zur Randzone verurteilt.

Rechts erhebt sich der eindrucksvolle Komplex der Kreuzgänge von Sant'Agostino: ein für Genua einzigartiger, gotischer Kreuzgang mit dreieckigem Grundriß und ein zweiter aus dem 18. Jahrhundert — beide restauriert —, die heute als Museum für Skulpturen und Fundstücke von architektonischem Wert aus dem ganzen Stadtgebiet dienen (Studio Albini und F. Helg).

Auf der gegenüberliegenden Seite führt eine Straße auf den Hügel Carignano und etwas weiter meerwärts steht die Kirche San Salvatore. Dem großen Komplex der Fakultät Architektur weiter rechts auf dem höchsten Punkt des Hügels wurden die Mauerreste des ehemaligen großen Klosters San Silvestro einverleibt, ursprünglich Kloster der Dominikanerinnen von Pisa, vor dem ein Chronist des 19. Jahrhunderts erstaunt ausrief: «Das ist doch eher eine Festung, als ein Zufluchtsort für fromme Jungfrauen»!

In der Tat haben Ausgrabungsarbeiten Reste einer älteren Burgfestung aus dem 10.-11. Jahrhundert ans Licht gebracht, die Residenz des Bischofs, in dessen Händen sich damals sowohl die geistliche als auch die weltliche Macht befand.

Die Straße Stradone di Sant'Agostino, geht auf das späte 17. Jahrhundert zurück; delikate Rokoko-Dekorationen an einigen ihrer Gebäude bezeugen ihre Bestimmung als elegantes, bürgerliches Wohnviertel. Während der religiösen Feste zogen durch diese gerade, breite Straße, auf die die Stadt besonders stolz war, die rituellen Prozessionen der «Casacce», der Laienbruderschaften mit ihren großen Kruzifixen, die sich in zahlreichen Oratorien zusammenfanden.

Den Platz Sant'Agostino kennzeichnet die klassische Zweifarbigkeit der Fassade der gleichnamigen Kirche (um 1260 erbaut); die gotischen Klöster und Kirchen, die größten der Stadt, die hier größtenteils von Bettelorden gegründet worden waren, sind heute nicht mehr erhalten.

Der Zauber der Kirche Sant'Agostino mit dem bunten Majolika-Dach von wirklich außerordentlicher Schönheit ist heute noch intakt und jedem Genuesen ein vertrautes Bild. Im 18. Jahrhundert befand sich neben der Kirche ein Theater, ein Beweis für das Kulturbewußtsein dieses Viertels.

Seit einigen Jahren hat in dem renovierten Bau das «Teatro della Tosse» seinen Sitz, das in bezug auf Inszenierungen und Bühnenbild im Genue-ser Kulturleben zweifellos eine bedeutende Rolle spielt.

Die Kirche San Donato (aus dem 12. Jh., im folgenden Jh. erweitert) wurde ganz im Stil der genuesischen Frühromanik erbaut, die noch keine Mauergewölbe kannte; Säulen in ligurischem Weiß-Grau wechseln mit römischen Säulen und Kapitellen ab, und oberhalb der Kirchenschiffe wird eine Empore vorgetäuscht.

Ein Meisterwerk der Malerei, Die Anbetung der Hl. Drei Könige von Joos van Cleeve, das jahrhundertlang in dieser Kirche aufbewahrt wurde, ist heute in der Oberintendanz für Schöne Künste deponiert. Im vergangenen Jahrhundert haben eine neu hinzugefügte Vorhalle und eine weitere, mehrbogige Fensterreihe über dem Tambour des oktonalen Turms die architektonische Reinheit des Bauwerks etwas in Mitleidenschaft gezogen.

Von der Piazza San Donato aus führten mindestens vier Längsachsen zum Hafen; in diesem heute wenig bekannten Gebiet konzentrierten sich drei der acht «Compagne» (eine Art Gemeinschaft der dort wohnenden Bürger), in die das gesamte städtische Territorium aufgeteilt war (Castello, Piazzalunga, Maccagnana).

In diesem mittelalterlichen Straßengewirr sei es dem einzelnen überlassen, selbst auf Entdeckungsreise zu gehen, von Haus zu Haus zu bummeln, Atrien, Innenhöfe und architektonische Stratifikationen zu entdecken und zu interpretieren, Splitter einer noch nicht voll ergründeten Realität.

Die erste «Geschäftsstraße» der Stadt, durch die wandernde Kaufleute nach Norden ins Tal des Bisagno oder die römischen Küstenstrassen entlang weiterzogen, war die Via San Bernardo (ehemals Via di Piazzalunga); sie verband die alte Hafenreede und den Markt San Giorgio über die Via San Donato und die Salita del Prione direkt mit der Porta Soprana.

Zwischen dem 15. und dem 16. Jahrhundert wurden viele Gebäude dieses mittelalterlichen Kerns umstrukturiert und erweitert, sei es durch kleine Atrien mit von Lünetten getragenen Gewölben, Treppenaufgängen mit Marmorgeländern und Freskendekoration, sei es später durch Innenhöfe mit Loggien und Nymphäen (Palazzo Schiaffino, Nr. 19).

An noch mittelalterlichen, bichromen Fassaden, an denen kleine Bogen die oberen Etagen optisch abtrennen, entdeckt man Portale von außergewöhnlicher Schönheit, wie z.B. an der Piazza San Bernardo das Portal des Palazzo Salvago, auf dessen Querbalken eine Szene mit «Wilden» dargestellt ist — die Assoziation mit dem Familiennamen liegt auf der Hand.

Oder das klassische Kandelaberornament am Palazzo Cattaneo an der Via San Bernardo Nr. 16. Archeologische Nachforschungen haben die Existenz imposanter mittelalterlicher Bogengänge längs dieser ehemaligen Hauptader nachgewiesen.

Auch für diese Straße des Altstadtkerns gelten die Bestimmungen des Denkmalschutzes, aber bis heute wurde sie noch in kein Sanierungsprojekt miteinbezo-gen. Die Zeichen einer seit Jahrhunderten dauernden Verwahrlosung sind hier nur zu evident.

Von hier aus ist es möglich, weiter zur Piazza San Giorgio, oder aber zurück über Vico Giustiniani zur Piazza Embriaci zu gehen. Hier steht der Palazzo Brignole (16. Jh.), dessen schöne Freskendekoration leider verblaßt ist, in etwas erhöhter Lage neben dem Turm der Embriaci. Die gleichnamige Familie residierte in den Palästen, die diesen Platz säumen, und der Turm ist sicher der schönste und eindrucksvollste von allen, die diese «Stadt der Türme» einst zu verzeichnen hatte.

Vielleicht verdankt er seine Rettung dem legendären Guglielmo Embriaco, genannt «Testa di Maglio» (Hammerkopf), Anführer der genuesischen Kreuzfahrer und Eroberer Jerusalems.

Oberhalb dieses Platzes ist am Ende einer Treppe, die zum Hügel Castello ansteigt, die große romanische Basilika Santa Maria di Castello sichtbar. Sie wurde anstelle einer früheren, ebenfalls der Gottesmutter geweihten Kirche erbaut, im 15. Jahrhundert mit Gewölben aus Mauerwerk ausgestattet und in der Folge durch die Kapellen der machtigsten Familien mit Werken der größten genuesischen Meister aus dem 15.-17. Jahrhundert erweitert.

Eine umfassende Restaurierung wurde auf Anregung der Dominikaner, denen die Kirche seit dem 15. Jahrhundert gehört, durchgeführt und alle stilbrechenden Elemente der darauffolgenden Jahrhunderte entfernt. Mit diesem Projekt, das von der städtischen Cassa di Risparmio (Ing. Fera und Ing. Grossi Bianchi) finanziert wurde, und das eines der herrlichsten Bauwerke der Stadt wieder in seinem alten Glanz und in einer perfekten Fusion von Architektur und Dekoration erstehen ließ, ist wohl der erste Schritt zur Sanierung dieses ältesten, heute noch sehr verwahrlosten Stadtteils getan.

Nächste Etappe unseres Rundgangs durch das romanische Genua des 11. und 12. Jahrhunderts ist die kleine Kirche der Hl. Cosma und Damiano (erreichbar über den Vico della Pece und Piazza San Cosimo). Nach den Zerstörungen des Jahres 1684 durch die Kanonen der Flotte Ludwigs XVI, die die Stadt schwer in Mitleidenschaft gezogen hatten, wurde das beschädigte Dach durch ein Gewölbe aus Mauerwerk ersetzt.

Die Apsis ist in ihrer ursprünglichen Form erhalten und endet merkwürdigerweise in einer kompakten Mauer längs des Vico dietro M Coro di San Cosimo. Über die Via delle Grazie erreicht man Piazza Cattaneo Della Volta, Einflußgebiet der alteingesessenen Familie Della Volta (später Cattaneo Della Volta), die kein Hehl aus ihrer Abstammung von tüchtigen Kaufleuten machte («volta» bedeutete «Warenlager»), was übrigens mehr als einer genuesischen Familie zu Adel und Ansehen verholten hat.

Das Palais wurde 1623 nach dem Plan von Bartolomeo Bianco neu errichtet, bewahrt aber sein stolzes Portal mit dem Hl. Georg aus dem 15. Jahrhundert. In dieser Gegend besaßen die Della Volta zahlreiche Häuser, Türme (die später abgerissen wurden) und die Familienkapelle San Torpete an der nahen Piazza San Giorgio, die seit alters her auch Marktplatz war.

Handel und Religion gingen sozusagen Hand in Hand. Mehr als ein Privileg war die Schirmherrschaft über eine Kirche in einer Zeit hitzigster Kontraste zwischen den einzelnen Clans eine Notwendigkeit: der Besuch eines Gottesdienstes in einer Kirche der Nachbarschaft konnte damals auch das Leben kosten!

Die Straßen, die vom Hafen zur Porta Soprana aufsteigen, führen alle über die Piazza San Giorgio. Ihr barocker Eindruck ist in einem mittelalterlichen Stadtbild und besonders in Genua ungewöhnlich. Die beiden Kirchen, San Giorgio und San Torpete wurden im 17. bzw. 18. Jahrhundert neu errichtet.

Die Verehrung des Hl. Georg, Beschützer der Stadt, geht auf älteste Zeiten zurück. Schon im 9. Jahrhundert soll die Kirche die Fahne mit dem Wappen der Stadt in Verwahrung gehabt haben. Nach ihrer Zerstörung wurde ein neues Gotteshaus auf rundem Grundriß errichtet, wobei der angrenzende Turm Alberici als Kirchturm Verwendung fand.

Die Verehrung für den Hl. Torpete wurde dagegen von pisanischen Kaufleuten, die im Palazzo Della Volta zu Gast waren, nach Genua gebracht. Die zu seinen Ehren im 18. Jahrhundert neu erbaute Kirche hat einen elliptischen Grundriß; die schöne Kuppel ist mit Schieferplatten bedeckt.

Parallel zur Via San Bernardo verläuft die Via dei Giustiniani: Diese Familie gehörte zu den «Nuovi», d.h. zu den Adelsgeschlechtern jüngeren Datums, galt aber als wohlhabend, einflußreich und vor allem als gebildet und kunstliebend.

Ein Giustiniano hat sich übrigens als Historiker einen Namen gemacht. Im, 16. und 17. Jahrhundert ließen sie dieses Viertel völlig umstrukturieren und prunkvolle Paläste errichten. Auf der Piazza Giustiniani wurden vor der natürlichen Kulisse der freskenverzierten Paläste Theaterstücke aufgeführt.

Die Innenräume des Palazzo Granello (Nr. 7) wurden von den bedeutendsten genuesischen Freskenmalern dekoriert (Gregorio De Ferrari, Domenico Piola). Palazzo Giustiniani (Nr. 6) wird heute als Schauraum eines Möbelgeschäfts genutzt. Handwerker, besonders Tischlerwerkstätten, Antiquitätenläden und Altmöbelhändler bevölkern das ganze Viertel.

Auch in der Parallelstraße Via Canneto il Lungo reiht sich ein Geschäft an das andere: hier sind aber gastronomische Spezialitäten zu finden. Gleich der Via Pre am anderen Ende des «Centro Storico» ist diese Straße ein guter Tip für Feinschmecker und zwar zu günstigsten Preisen. Ursprünglich befanden sich hier Gaststätten und Unterkünfte für die Kaufleute, aber auch Werkstatten, wie die Glockengießereien für die nahegelegene Kathedrale San Lorenzo, aber später wurden auch in dieser Straße die Häuser umgebaut und mit Atrien und prunkvollen Portalen versehen.

Die Interieurs sind zum Großteil erhalten, auch wenn sie heute kaum mehr als Niederlassungen traditionsreicher Firmen dienen. Ein mittelalterlicher Gebäudekomplex mit seinem Turm (Maruffo), dem zu Unrecht wenig Beachtung geschenkt wird, trägt die Hausnummer 23. Ein Blick nach oben lohnt sich!