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Genua
  Das moderne Stadtzentrum
   
     

 

Das moderne Stadtzentrum

Der Name der Hauptader des modernen Stadtzentrums soll Gegenstand hitziger politischer Diskussionen gewesen sein, bis daß eine Anzahl von Bürgern nächtlicherweile das Schild mit der Straßenbezeichnung «XX Settembre» aufstellte und so ein weiteres Datum des italienischen Risorgimento auf einem Straßenschild verewigte.

Es heißt auch, daß es zwischen dem damaligen Bürgermeister, dem Baron Andrea Podestä und dem Gemeinderat bezüglich der Breite der Straße heftige Meinungsverschiedenheiten gegeben habe, weil der Gemeindeausschuß eine noch breitere Straße für eine, so meinte man, zukünftige Metropole plante.

Diese Chronik aus dem Jahr 1892 zeigt, welch hochgesteckte Pläne die Ge-nueser Bourgeoisie damals in den Gründerjahren des neuen italienischen Reiches hatte.

Die Via XX Settembre ist fast 100 Jahre alt; von der Piazza der Ferrari aus geht der Blick hinunter bis an ihr Ende. Ungefähr in der Hälfte überbrückt sie die Ponte Monumentale (1905, Ing. Cesare Gamba). Die Gebäude an den beiden Seiten mit ihren meist überladenen Fassaden gehören heute zum Stadtbild und sind den Genuesen, so wie sie sind, ans Herz gewachsen: man könnte meinen, daß diese zentrale Verkehrsader alle Mythen und Illusionen unserer Epoche in sich vereint und auch kommerzialisiert.

Heute reihen sich hier elegante Geschäfte und Kaufhäuser aneinander, viele Ladenschilder tragen die Namen alteingesessener Kaufmannsdynastien; das Theater Margherita ist Ersatz-Opernhaus bis zum erfolgten Wiederaufbau des Opernhauses Carlo Felice.

Außerdem befinden sich hier ein weiteres Theater, Kinos, eine private Bildergalerie (Rotta) mit großer Tradition, Buchhandlungen und sogar ein Obst- und Gemüsemarkt, dessen Eingänge als Verkaufsstände für Blumen dienen. Diese Hauptstraße Genuas ist sicher keine Verkehrsader einer Metropole, aber Ausdruck einer Stadt, die nicht nur an eine große Vergangenheit gebunden sein will.

Sie verläuft längs bereits früher existierender Verbindungswege und bricht durchaus nicht mit der Tradition: hier führten einst der Vico del Vento und spater Via Giulia (1642) und Via della Consolazione zu den östlichen Stadtteilen und verbanden die dort befindlichen kleinen Siedlungen, die sich traditionsgemäß nach dem jeweils ausgeübten Handwerk differenzierten.

Längs der historischen Arkaden zweigen nach einem Drittel ihrer gesamten Länge links die Straßen ab, die in früheren Zeiten in landliche Siedlungen führten, von denen heute keine Spuren mehr erhalten sind.

Wo heute die Via XII Ottobre abzweigt, befand sich früher das kleine Siedlungsagglomerat Borgo dei Picca-pietra (so hießen die Bildhauer oder auch Steinmetze bis zum 16. Jahrhundert); es gehörte zum Stadtviertel Portoria, das sich um die naheliegende Abtei Santo Stefano gebildet hatte.

Heute befinden sich hier moderne Bauten, der Justizpalast, Banken und Kaufhäuser, deren anonyme Glas- und Betonmauern in keinerlei Beziehung zu der historischen Tradition stehen. Ein Bronzedenkmal und eine eingravierte Inschrift erinnern an den legendären Jungen «Balilla», der den Anstroß zum Volksaufstand gegen die Österreicher im Jahre 1746 gab.

Dieses Denkmal, der Innenhof des historischen Krankenhauses Pammatone, der dem Justizpalast einverleibt wurde, und die Kirche San Camillo und Santa Croce aus dem 17. Jahrhundert mit ihren herrlichen Fresken von Gregorio und Lorenzo De Ferrari sind die einzigen melancholischen Reste dieses traditionsreichen Viertels.

An der gegenüberliegenden Seite wurde im Jahre 1936 die Querstraße Via Fieschi dort trassiert, wo sich ehemals die Piazza Ponticello mit ihrem Brunnen befand, der heute im Innenhof des Dogenpalasts zu sehen ist.

Hier mußte die alte Siedlung Borgo dei Lanaioli der Piazza Dante Platz machen. In diesem Stadtteil sind vielleicht die modernen Bauten weniger kalt und unpersönlich. Der Kontrast zwischen den Hochhäusern (M. Piacentini) aus den 30-er Jahren, auf die die Stadt besonders stolz war, und der monumentalen Porta Soprana aus dem 12. Jahrhundert ist eben einer der immerwährenden Widersprüche zwischen Gestern und Heute.

Die terrazza Martini auf der 31. Etage des größten Hochhauses ist der beste Aussichtspunkt für einen detaillierten Überblick über die mittelalterliche Stadt, zweifellos besser als ein «verflachtes» Bild aus der Vogel- bzw. Flugzeugperspektive.

Nicht weit von der Porta Soprana, sind das Geburtshaus von Kolumbus (so nimmt man jedenfalls an) und der Kreuzgang des romanischen Klosters Sant'Andrea zu sehen. Beide befanden sich ursprünglich woanders und wurden, archeologischen Fundstücken gleich, hierher placiert. Zwischen der Piazza Dante und der Hafenstraße erhebt sich heute der Gebäudekomplex der Regionalverwaltung (Palazzo della Regione), der in den 70-er Jahren erbaut wurde und ein weiteres malerisches Altstadtviertel, die Via Madre di Dio, zum Untergang verurteilte.

Längs eines kleinen Baches, des Rivotorbido, übten einst die Seiler und Färber ihr Handwerk aus. Nur mehr die Waschtröge im neuklassizistischen Stil (Carlo Barabino, 1797) mit der Inschrift «Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit» und der Widmung «Gli edili dalla Re-pubblica al popolo genovese.» Von der Republik dem genuesischen Volk. Die Verantwortlichen des öffentlichen Bauwesens sind übriggeblieben.

In der Via XX Settembre erhebt sich links über den neugotischen Arkaden die schwarz-weiß gestreifte Fassade der Kirche Santo Stefano (10.-13. Jh.).

Eine Treppe führt zum Kirchplatz dieses Gotteshauses und eine weitere Treppe stellt von hier eine Verbindung zur Brücke Ponte Monumentale her: von hier ist die hochinteressante romanische Apsis zu sehen, deren Blendarkaden von einem Rundbogenfries überdacht sind.

Jenseits der Brücke beginnt die Via San Vin-cenzo, die parallel zur Via XX Settembre bis zum Bahnhof Brignole verläuft.

Dieses Stadtviertel wurde im vorigen Jahrhundert für den Sozialwohnbau in einer Gegend geplant, in der Bauernhäuser und Villen mit Gärten abwechselten. Gerade diese frühzeitige «Bau-Spekulation» hat den wunderschönen Palazzo Grimaldi (16. Jh., später Palazzo Sauli), ein Meisterwerk von Galeazzo Alessi, unwiederbringlich in Mitleidenschaft gezogen.

An der Hausnummer 7 an der Via Colombo zeugen noch Restbestände klassischer Ornamente und Rankenwerk von der vergangenen Pracht. Piazza Colombo wurde nach einem Plan von Carlo Barabino (Baumeister G.B. Resasco) als klassisches Viereck angelegt, von dessen Ecken aus vier Straßen strahlenförmig abzweigen.

Arkaden und ein Brunnen aus dem 17. Jahrhundert mit einem Meeresgott, der früher am Hafen vor dem Palazzo San Giorgio gestanden hatte, schmücken den Platz, einen der harmonischsten des modernen Stadtteils. Traditionsreiche große und kleine Läden, besonders Delikatessengeschäfte mit genuesischen Spezialitäten locken zum Einkaufsbummel.

Durch die Via Galata gelangt man zurück zur Via XX Settembre. Hier lohnt sich ein Besuch des Mercato Orientale, des größten städtischen Markts, der seit 1899 im ehemaligen Kreuzgang eines Augustinerklosters untergebracht ist.

Für die Mönche dieses Ordens wurde am Ende des 17. Jahrhunderts die nahe Kirche Nostra Signora della Consolazione (Unsere Liebe Frau des Trostes) errichtet. Ihre monumentale, neuklassizistische Fassade ist gleich in der Nähe zu sehen.

In der Via Brigata Liguria (Nr. 9), einer Querstraße der auslaufenden Via XX Settembre, befindet sich das Städtische Naturhistorische Museum G. Doria.

An dieser Stelle endete das Tal des Flusses Bisagno, der Genua gegen Osten abgrenzte und dessen letztes Teilstück und Mündung in den Jahren zwischen 1930-1940 überdeckt wurde.

Auf dieser künstlichen Ebene wurde in unserem Jahrhundert nach einem regelmäs-sigen, rechtwinkligen Bauplan ein modernes Viertel in krassem Gegensatz zu der dem Bodenrelief angepaßten Altstadt gebaut. Ein besonderes Schwergewicht erhielt hier die in der Zeit der faschistischen Diktatur angelegte Piazza Della Vittoria (Piacentini).

Glücklicherweise hat sie der intensive Verkehr zwischen Stadtzentrum und östlichen Stadtvierteln aller beabsichtigten Rhetorik beraubt, einer Rhetorik, die mit dem Charakter dieser Stadt und ihrer Einwohner unvereinbar wäre. Die starre Monumentalität der Architektur Piacentinis dient heute ganz alltäglichen Zwecken: der Platz wird als Parkplatz und als Busbahnhof genutzt.

Im Hintergrund heben sich unterhalb der alten Mauern von Santa Chiara des Hügels Carignano terassenförmig angelegte Grünanlagen effektvoll ab.

In der Nähe des Bahnhofs Brignole erhebt sich anstelle eines Gebäudekomplexes aus dem 19. Jahrhundert (Corte Lambruschini) ein modernes, vielleicht etwas übermäßig großes Büro- und Verwaltungszentrum, das neben Geschäftsräumen auch Apartements und sogar ein Theater beherbergt.