Gradara
 
 
 
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Gradara Historie von Gradara

 

 

 

 

 

Die Erbauung dieses monumentalen Schlosses geht etwa auf die Mitte des 12. Jahrhunderts zurück, als die beiden Brüder Pietro und Ridolfo der Familie Grifo diese Zone der Gemeinde von Pesaro widerrechtlich abnahmen und sich ihrer bemächtigten.

Sie errichteten als erstes den imposanten und strengen Turm, um ihren Besitz zu behaupten. Gegen Ende des Jahrhunderts und in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts führten die häufigen Kämpfe um den Besitz dazu, daß verschiedene Räuber und Junker den Turm besetzten, bis man sich endlich mit Hilfe des Papstes, Giovanni Malatesta von Verrucchio, genannt « il Centenario », der das Oberhaupt der mächtigen Rimineser Familie war, durchsetzte.

Giovanni von Verrucchio, ein sehr feiner und verschlagener Stratege, verstand bald, wie sehr ihm eine sichere Basis auf jenem Stück Erde zwischen Marche und Romagna, zwischen den Höfen von Rimini, Pesaro und Urbino, die immer Kämpfe zwischen Haß und Leidenschaften auszufechten hatten, von Nutzen sein würde. Und so begann er die Erbauung der Festung, die majestätische Festung, die einen viereckigen Grundriß hat mit drei starken vieleckigen Türmen, und wo der alte quadratische Turm der Hauptturm wurde.

1299 übergab Papst Bonifacio VIII den Grund und Boden als Lehen auf Lebenszeit.

Dem ältesten Sohn der Malatesta, Giovanni, auch der Lahme genannt, Bürgermeister von Pesaro und Gatte der unglücklichen Francesca, lag Gradara nicht sehr am Herzen, da er ganz von seinem Bürgermeisteramt in Beschlag genommen war.

Es war dann der Bruder Pandolfo, der zwischen 1307 und 1324 nach dem Tod der anderen drei Brüder, Giovanni, Paolo dem Schönen und Malatestino, den Bau fertigstellte.

Der Name des Architekten, der die Bauarbeiten leitete, ist unbekannt; er war aber zweifellos ein genialer Kopf. An den Ecktürmen entlang wie auch längs der Mauern, verlaufen — ohne Unterbrechung — die Schießscharten mit kleinen eleganten Bögen um dem höherliegenden überdachten Rundgang. Auch die drei vieleckigen Türme sind überdacht und schließen mit den Rundgängen in gleicher Höhe ab. Das ist eine sehr interessante Einzelheit, die im Bau von Schlössern erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrh. auftaucht.

Beherrscht wird das Ganze wegen seiner Höhe und Großartigkeit von dem robusten Hauptturm mit seiner gezackten Krone und seiner Verteidigungskraft. Auch die beiden Mauergürtel wurden erbaut — senkrechte Mauern, ohne Böschungen, mit viereckigen Türmen, die nicht weit voneinander entfernt sind, und die um den ganzen Umfang herum Schießscharten haben und die höherliegenden Rundgänge für die Schildwachen. Zwischen dem ersten und zweiten Mauergürtel liegt heute der kleine Ort Gradara.

In dem Innenhof der Festung zeugt noch heute das Wappen der Malatesta mit den Anfangsbuchstaben des Pandolfo davon, wer das majestätische Werk vollbrachte. Wenn man sich das Aussehen des Hofes zu jener Zeit ins Gedächtnis zurückrufen will, so muss man ihn sich mit einer grossen Außentreppe aus Holz vorstellen, mit Treppenabsätzen, die in die oberen Stockwerke führten; an der Stelle des eleganten Bogenganges mit grosser Innentreppe aus Marmor.

Ende des 15. Jahrh, von Giovanni Sforza erbaut, und auf der nördlichen Seite eine einfache Überdachung mit drei Bögen an Stelle des höhergelegenen Saales, den Sigismondo Malatesta im Laufe der Zeit hat ausführen lassen.

Wer voller Interesse und Liebe zur Geschichte oder aus Neugierde in der Vergangenheit herumstöbern möchte, sich aber nicht durch die Weitschweifigkeit der vielen Daten, die sich wie Ringe einer Kette aneinander reihen, aufhalten lassen will, kann trotzdem gemeinsam mit uns mit leidenschaftlichem Interesse die wichtigsten Erinnerungen sammeln, die diesen geschichtlichen Augenblick festhalten.

In der zweiten Hälfte des 13. Jahrh., neben der leuchtenden Herrscherfigur des Alten von Verrucchio, offenbart sich die Leidenschaft und die Tragödie von Paolo und Francesca.

Dante hat diesen Figuren in seiner « Göttlichen Komödie » die Unsterblichkeit verliehen. D'Annun/io hat über die Fülle der Leidenschaft bis zum gewaltsamen Tod geschrieben. Zandonai hat mit seiner rührenden Musik die Qualen besungen.

Dichter, Historiker und Maler haben bei diesen beiden Liebes- und Schmerzensgestalten verweilt. Gradara bewacht treu den Geist, den ihm Geschichte und Legende als wirkungsvolles Erbe hinterlassen haben.

Es ist wohl außer Zweifel, daß sich die Tragödie in dieser Festung abgespielt hat. Nach den Geschichtsforschungen des Tonini, des Yriarte und anderer weniger bekannter Persönlichkeiten und aus Dokumenten, die in den Bibliotheken von Rimini und Pesaro existieren, geht hervor, dass es zwischen 1285 und 1289 geschah. Während besagter Zeit waren die Malatesta aus Rimini verbannt, wo di Ghibellina Partei die Oberhand hatte, und sogar ihr Schloss in St. Arcangelo di Romagna verloren hatten.

Es blieb ihnen also nichts anderes als Gradara. Außerdem kommt hinzu, daß Gianciotto (Giovanni), der lahme und verkrüppelte Ehemann der Francesca, Bürgermeister von Pesaro war, und es erscheint logisch, daß er seine Ehefrau im Schloß von Gradara weilen ließ, so nahe wie möglich bei seinem Amtssitz. Eine Bestimmung jener Zeit ließ es nicht zu, daß der Bürgermeister seine Ehefrau oder die Familie in der gleichen Stadt unterbrachte, wo er sein Amt ausübte.

Und zuletzt muß man der Legende den Wert lassen, von den Bewohnern Gradaras von Mund zu Mund fortgepflanzt, die von dieser schrecklichen Bluttat erzählt. Der Geist der unglücklichen Frau, der ohne Frieden ist, soll noch heute in Vollmondnächten in den Rundgängen und in den gezackten Türmen umgehen.

Von keinem anderen Schloß der Malatesta erzählt man eine ähnliche Legende. In einer Geschichtschronik kann man die Geschehnisse des 15. Jahrh. nachblättern: Pandolfo I, dem Erbauer Gradaras, verstorben im Jahre 1324, folgte der Sohn Malatesta Antico, auch Guastafamiglia genannt, da er gegen seine Vettern von Rimini kämpfte, Söhne des Malatestino dall'occhio, denen er die Herrschaft über die Stadt entriss und sie im finsteren Gefängnis von Gradara sterben ließ.

Die ganze Zeit der Herrschaft, die bis zu seinem Tode im Jahre 1364 dauert, ist keine Freudenzeit für diejenigen, die in der Festung leben. Vielleicht haben junge Frauen, lebenslustige Kavaliere, frische Pagen und Heranwachsende einige wenige Sonnenstrahlen erhascht, aber die strenge Unterdrückung der dispotischen Tyrannei des unruhigen und ehrgeizigen Herrschers hat diesen langen Jahren einen dunklen Schleier umgelegt.

In grossem Kontrast wickelten sich die folgenden Jahre unter der Herrschaft des Sohnes Pandolfo II ab. Von diesem, der auch Bürgermeister von Pesaro war, geht die Linie der Malatesta dieser Stadt aus. Ein Mensch der Kultur und der Literatur anstatt der Waffen, Bewunderer und Freund von Petrarca, zu dem er einen Maler schickte, damit er ein Portrait von ihm mache, öffnete Gradara die Türe zu einem lichteren Leben, das wir gegen Ende des 14. und zu Anfang des 15. Jahrh. sich in einen reichen, gast-freundlichen Wohnsitz verwandeln sehen, und zwar unter dem Nachfolger Pandolfo II, dem Sohn Malatesta dei Sonetti, besser bekannt als Malatesta Senatore, Universalerbe allen väterlichen Besitzes.

Wenn auch ausgezeichneter Anführer der päpstlichen Truppen, liebte er es trotzdem, seinen Geistesbestrebungen und seinem Verstand zu willfahren, indem er in Gradara hervorragende Künstler, wie Gentile de Fabrian, Jacopo da Imola und viele andere, aufnahm, die für Kunst and Literatur Vorläufer unserer glorreichen Renaissance waren. Einige Säle der Festung bereicherte er mit deliziösen Freskogemälden, die man noch heute bewundern kann, und brachte Verbesserungen und Ornamente an die den Aufenthalt gemütlicher gestalteten.

Im Jahre 1414 sah er seinen Lieblingssohn Galeotto im Alter von 16 Jahren in Gradara sterben, der eine Menge schöner und vielversprechender Gaben hatte. Von den anderen Söhnen Carlo, Galeazzo und Pandolfo erinnert man sich an Galeazzo, der lange Zeit mit seiner Ehefrau Battista von Montefeltro, eine Frau der Literatur und sehr tugendhaft, in der Festung von Gradara weilte.

Ein Feind der Waffen und einer weisen Verwaltung seines Besitzes, geht Galeazzo als Untauglicher und Verantwortlicher der ernsten Episode in die
Geschichte ein, die Gradara 1424 trifft. Während der Abwesenheit seines Vaters, als sich die Truppen des Herzogs von Mailand, Filippo Maria Visconti, unter dem namhaften Anführer Angelo della Pergola, Gradara nägern (nach der Schlacht von Zagonara) und fragten, ob sie dort lakieren könnten, ließ sie Galeazzo aus Gutmütigkeit und Naivität in die Burg einziehen.

Jene nahmen diese Gelegenheit wahr, um sich in den Besitz zu setzen. Sie verwüsteten, plünderten, verübten jede Art von Gewalttaten und schlössen den eigentlichen Schloßherrn, Galeazzo, und seine Frau Battista von Montefeltro, als Gefangene in den Hauptturm ein. Glücklicherweise konnten die Malatesta den Herzog Visconti benachrichtigen lassen, der sofort einschritt, die Gefangenen befreite und seinem Kapitän Della Pergola befahl, die Festung augenblicklich zu verlassen.

1429 beschließt der Senatore Malatesta in dem schönen Saal, den er selbst durch heitere Motive mit freudigen Putten hatte verschönern lassen, sein freigebiges Leben. Galeazzo erhielt als Erbe Pesaro, wo er sich auch ansetzte. Pandolfo, Erzbischof von Patrasso, blieb in Gradara. Aber im Jahre 1431, in einem Aufstand der Pesaresi, von den päpstlichen Truppen unterstützt, wurden alle beide von ihren Gütern verjagt, und Gradara wurde von Papst Eugenio IV den Malatesta von Rimini zugesprochen.

Im Laufe der Zeit kehrte Galeazzo in den Besitz von Pesaro zurück, aber müde, alt und ohne Erben, verkaufte er seine Güter an Federico von Montefeltro, Graf von Urbino, und gab im Jahre 1445 Pesaro an Alessandro Sforza ab, und zwar anläßlich dessen Vermählung mit der geliebten Nichte Costanza Verano. Er starb einsam und verlassen in fremdem Land.

Während dieser für die Malatesta aus dem Pesareser Zweig sehr bewegten Zeit, erblühte zu glorreicher Berühmtheit jener von Rimini unter Sigismondo Pandolfo, dem tüchtigen Heerführer, dem brillanten Mäzen, dem herrischen und ausschweifenden Lehnsherren. Er machte aus Gradara einen glänzenden Hof. Lebemann und sehr freigebig, war er immer von schönen Frauen, feurigen Kavalieren und berühmten Künstlern umgeben, die in ihm einen glänzenden und ermutigenden Beschützer wußten.

In alten Chroniken wiederholt sich mehrmals die Geschichte von prunkhaften Gastmählern und fröhlichen Versammlungen in der Festung. Sie erinnern uns auch an die Festlichkeiten, die von Sigismondo im Jahre 1442 abgehalten wurden, als er Bianca Maria Visconti und ihren Gatten Francesco Sforza in Gradara als Gast hatte. Von Sigismondo bleibt uns der schöne Saal in Erinnerung, den er über dem antiken Dach des Hofes zu Ehren seiner geliebten Isotta degli Atti hat erbauen lassen, deren Anfangsbuchstaben, verschlungen mit den seinen, an den Wänden als Ornament zu sehen sind. In dieser Zeit wurde Gradara Hauptperson einer sehr bedeutsamen Waffentat.

Papst Eugenio IV. warb Sigismondo zum Schutz der eigenen Interessen an, um seine Oberherrschaft über jene Gegend zu verteidigen und aus Opposition zur Vereinigung, die zwischen den Malatesta von Rimini, dem Herzog von Montefeltro und Francesco Sforza abgeschlossen wurde. So hatte der zähe und vorurteilslose Heerführer Grund, gegen seine Nachbarn vorzugehen, die er aus Hunger nach Herrschsucht und Ehrgeiz hasste.

Im Oktober 1446 belagerte Francesco Sforza Gradara. 40 Tage lang umzingelten die gut ausgerüsteten Kriegstruppen die Festung, ohne einen Moment Waffenstillstand. Aber im Innern der Burg hielten die Bewohner Gradaras, die dem Hause Malatesta treu zugetan waren, mit Opferbereitschaft und nicht zuletzt mit mutigen, schnellen und intelligenten Manövern stand, während sie einen fortlaufenden Verlust unter ihren Leuten zu verzeichnen hatten, und es an Lebensmitteln und Munition fehlte.

Es waren nebelige und regnerische Herbsttage mit Trostlosigkeit und zähem Widerstand. Immer wachsam auf Türmen und Rundgängen und bereit, mit ihren Mörsern jeden Versuch eines feindlichen Erfolges zu unterdrücken, gewährten sich die Bewohner Gradaras, die Soldaten Sigismondos, keine Ruhe, auch nicht, als ein wilder Schneesturm zu toben begann und somit die Situation der Belagerten und der Belagerer erschwerte.

Es waren endlich die Letzteren, die nachgaben und das Feld räumten, indem sie die stolze und hochmütige Burg, wenn auch durch die harten Kämpfe verunstaltet, verließen. Die Berühmtheit und der Einfluß von Sigismondo Malatesta hatten den Sieg herbeigeführt. Nicht so geschah es 1463 in einer nachfolgenden, fast analogen Episode, als Gradara (immer von Seiten der Montefeltro und der Sforza, dieses Mal vereinigt mit den päpstlichen Truppen) erneut belagert wurde.

Der Malatesta hatte sich bei Papst Pio II Piccolomini, sei es als streitsüchtiger Krieger, sei es wegen seines leichtfertigen Lebensstiles, der nur aus Gewalttätigkeiten bestand, in Ungnade versetzt. Man beschuldigte ihn wegen des Todes seiner ersten Frau, Ginevra d'Este, und der zweiten, Polissena Sforza, und erzählte sich über ihn grausame Geschichten. Der Papst, der die Macht der Malatesta niederschlagen und Recht über seinen gefährlichen Gegner gewinnen wollte, strengte außerdem einen Prozeß gegen Sigismondo an und exkommunizierte ihn. Seine Untertanen befreite er vom Treueschwur.

Und deshalb bildete sich bei der Belagerung im Jahre 1463 in Gradara jene psychologische Situation, die den Bewohnern von Gradara jene vertrauensvolle und beharrliche Zähigkeit und den Willen zum Sieg nahm. Dadurch hatte der Feind leichtes Spiel.

Der Malatesta wurde gezwungen, sich nach Rom zu begeben, um öffentlich Buße zu tun und vor dem Kardinalskollegiuni zu erklären, daß er auf alle seine Güter verzichte (außer der Stadt Rimini), um die päpstliche Absolution zu erhalten. Dieser große Heerführer, der, nach diesen seinen Abenteuern, es zu verstehen wußte, erneut durch Ruhm im Krieg zu glänzen, den er gegen die Untreuen im Dienst der Venezier führte, kehrte in Ehren nach Rom zurück, um von Papst Paolo II die Goldene Rose zu empfangen, und schließt die zirka drei Jahrhunderte währende Malatesta-Geschichte in der Burg von Gradara.

Und nun beginnt die kurze Herrschaft der Sforza. Alessandro, Herr von Pesaro, erhält die Burg ab 1. Febr. 1464 in Vikariat, gab sich jedoch keine Mühe um den kleinen Ort, den er mit den Malatesta tief verwurzelt wußte und der ihm offensichtlich feindselig gesinnt war. Es war dann Giovanni Sforza, Neffe von Alessandro, der Gradara auserwählte und es verstand, die Menschen dort zu gewinnen, indem er sich um ihr Wohlergehen kümmerte und die Burg instandsetzen ließ, die sich in schrecklichem Zustand befand.

Eine Tafel, die man noch heute in dem hölzernen Anbau über der Zugbrücke bewundern kann, zeugt von dieser Restaurierung im Jahre 1494 durch Giovanni Sforza.

Gradara ist vom Panorama her bevorzugt, und mit der Verfeinerung der Sitten mußte auch sie sich dem Einfluß des Übergangs vom dunklen Mittelalter zur leuchtenden Renaissance unterziehen. Die Burgfeste, stolz auf ihre Kraft, auf ihre mächtigen Mauern und Wachtürme, die die dunklen Qualen von entfesselten Leidenschaften und Waffengeklirr erlebten, verwandelte sich durch die Arbeiten, die Giovanni Sforza ausführen ließ, in einen fürstlichen Wohnsitz, gemütlich und heiter für das Leben jener Zeit.

Diese Umwandlung offenbarte sich in der Tat in dem Innenhof, wo man an Stelle der Treppe und des Balkons aus Holz, der sich rundherum zog und als Zugang zu der oberen Etage diente, eine elegante Säulenhalle und die große Marmortreppe errichtete, auf deren Eingangstafel man noch heute den Namen der Sforza lesen kann. Dieser, Witwer der Maddalena Gonzaga, 1491 im Kindbett gestorben, widmete Gradara seine ganze Aufmerksamkeit, indem er die Burg restaurieren ließ, und zwar einmal, weil er sie als Wohnsitz bevorzugte, und zum anderen, um sie seiner zweiten Frau, Lucrezia Borgia, schöner und wohnlicher präsentieren zu können.

Man liest in den alten Chroniken von dem glänzenden Gefolge, das Lucrezia nach Gradara brachte. Die junge Braut, der trüben Umgebung Roms von Alessandro VI und seines gefährlichen und unmoralischen Hofes entflohen, genoß in der Stille des lichten Wohnsitzes in der Nähe des sich weit ausbreitenden Adriatischen Meeres und zwischen den grünen, erholsamen Hügeln eine reine Luft, die ihrem jungen Leben angepaßter waren.

Lucrezia, die von ihren Nachkommen als pervers bezeichnet wird, tief erschrocken, findet in Gregorovius einen tapferen Verteidiger, der sie durch genaue Untersuchungen ihres Lebens auf ein menschlicheres Niveau brachte und die schrecklichen Anschuldigungen widerlegte. Er zeigt uns ein fröhliches junges Mädchen mit goldenem Haar, blauen Augen, einem süßen Lächeln, von nicht ausgesprochener Schönheit, so doch sehr gefällig; eine Frau, die unter dem Einfluß ihrer Zeit und ihrer Umgebung, in der sie geboren ist, und in der sie gelebt hat, leidet; über allem jedoch Sklavin der väterlichen Befehle, Instrument der opportunistischen Entwürfe Alessandro VI. In der Burg Gradara ließ Giovanni Sforza für sie das nordwestliche Eckzimmer herrichten.

In dem angrenzenden Turm kann man noch heute einen Saal besichtigen, der für sie bestimmt war, und wo man Fresken bewundern kann, die von dem Maler Giovanni Santi stammen, dem Vater Raffaels. Frauenfiguren stellen die Luft, das Wasser, das Feuer, die Erde dar, und in diesen Gestalten findet man auch den Kopf Lucrezias. Nur kurze Zeit konnte die Familie der Sforza aus Pesaro Lucrezia zu ihren Angehörigen zählen, da im Jahre 1497 der Papst ihre Ehe mit Giovanni Sforza auflöste.

Lucrezia sollte jedoch nach Gradara zurückkehren, und zwar nur für eine Nacht im Januar 1502, als sie auf der Durchreise war, eine Reise zu dem neuen Gemahl, Alfonso d'Este, Herzog von Ferrara. Diese Nacht fand sie sicher wenig Ruhe, sondern wurde von quälenden Erinnerungen und stechendem Heimweh gequält. In Gradara hatte sie ihre Jugend gelassen. Sie hatte Giovanni Sforza nicht geliebt, sondern hatte, immer aus kindlichem Gehorsam dem Vater gegenüber, akzeptiert, ihm viel Böses anzutun.

Dann hatte sie Qualen als Frau mit der Leidenschaft und dem Tode des Herzogs von Bisceglie erlitten, und zuletzt, immer den väterlichen Befehlen ergeben, ging sie der dritten Ehe entgegen, und zwar mit einer zu großen Erfahrung für ihr jugendliches Alter. Bei dieser Gelegenheit war Lucrezia bei ihrem Bruder Cesare Borgia, dem neuen Herzog der Romagna, auf Gradara zu Gast. Letzterer hatte die verschiedenen Herren, darunter auch Giovanni Sforza, von ihren Gütern und Schlössern verjagt, und hatte sich zwischen Marche und Romagna eine beträchtliche Domäne geschaffen.

An einem kalten Januar-Morgen verließ diese historische Frau für immer die Festung von Gradara, nur eine süße Erinnerung an sich selbst hinterlassend.

Valentino blieb nicht lange in der Romagna, da, mit dem Ende Alessandros
VI, die Lehnsherren, die fortgejagt worden waren, auf ihre Wohnsitze zurückkehrten. So kehrten auch die Sforza nach Pesaro zurück, und Giovanni fand in Gradara seinen bevorzugten Wohnsitz wieder, wo er, noch jung, im Jahre 1510 starb. Er hinterließ ein noch kleines Kind, das aus seiner dritten Ehe mit Ginevra Tiepolo stammte, und das einige Jahre nach ihm starb.

Da die Herrschaft jenes Zweiges der Familie Sforza somit ausgelöscht war, übergab Papst Giulio II della Rovere Gradara dem eigenen Neffen Francesco Maria, Herr über Urbino. Fast anderthalb Jahrhundert lang war der Name der Familie Della Rovere mit dieser Festung verbunden: Francesco Maria I, Guidobaldo, Francesco Maria II lösten sich als Besitzer dieses Wohnsitzes ab.

Sie liebten diesen Ort wegen der Nähe des Meeres und wegen der wichtigen Verbindungsstraße, die an der Adriatischen Künste entlang führte. 1543, während einer Reise nach Süditalien, machte Papst Paolo III in Gradara Station, um seine Nichte Vittoria Farnese, Gemahlin Guidobaidos, zu besuchen. In großen Ehren wurde er dort empfangen, und, so kann man in den alten Chroniken lesen, der Strom der Gläubigen nach Gradara war groß, um ihn zu ehren. Er feierte die Heilige Messe in der mystischen Burgkapelle, wo man noch heute die schöne Terrakotta von Andrea della Robbia, die die Madonna mit dem Kind und den Heiligen darstellt, bewundern kann.

In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts hörte die berühmte Familie della Rovere auf, dem Schloß seinen Glanz zu geben, denn nach dem Tode Livia Farneses, der Witwe Francesco Marias II., kehrte es unter die Verwaltung des Papsttums zurück. Damit endet die glänzende Zeit dieser wichtigen Burg.

Der Papst gab es gegen einen niedrigen Lehnssatz an den Herzog Santinella, dann an die Omodei von Pesaro, danach an die Albani und zum Schluß — in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, an den Marchese Mosca von Pesaro ab, der sich liebevoll um die Burg und den kleinen Ort Gradara kümmerte, indem er viele Verbesserungen durchführte. Nach seinem Tode wollte er in der Kirche S. Giovanni, die er selbst hatte erbauen lassen, begraben werden. Danach begann für Gradara eine Zeit der Verlassenheit und der Zerstörung.

In der ersten Hälfte des 18. Jahrh. wurde es von den Franzosen verwüstet, Nachlässigkeit und der Lauf der Zeit taten das ihre — der majestätischen Burg blieb nur die Erinnerung an einstigen Glanz. Mit Ende der Souveränität des Papsttums wurde das Schloß Eigentum der Gemeinde, und im Jahre 1877 wurde es an den Herzog Morandi Bonacossa di Lugo abgegeben.

Doch der Verfall währte fort, bis das heftige Erdbeben im Jahre 1916 dem alten Bau einen schweren Schlag versetzte, der bereits durch Zeit und Vernachlässigung genug abbekommen hatte.

In diesem Zustand erwarb es im Jahre 1920 der Ingenieur Umberto Zanvettori aus Belluno. Ihm hat die Burg ihr Wiederaufleben zu verdanken, und der kleine Ort Gradara die Rückkehr zum Leben. Zanvettori, geistvoll, mit glänzender Lebensauffassung, feinem Geschmack und viel Sinn für alles Schöne, wurde von diesem Schloß angezogen, das in seiner ganzen Trostlosigkeit da stand und zu verfallen drohte.

Mit seinen verstümmelten Türmen und seinen vielen « Wunden » hielt es in seiner gewaltigen Größe noch immer stand, der Zeit und der Nachlässigkeit der Menschen trotzend. Er rief berühmte Mitarbeiter wie Arduino Colasanti, die Architekten Ferrari und Giovannoni zu sich, und mit Liebe und Leidenschaft Stein für Stein überprüfend, wurde mit der schwierigen Restaurierung begonnen, die der vor 4 Jahrhunderten von Giovanni Sforza vorgenommenen glich.

So wurde dieser bedeutende Bau, der so viel Geschichte aus fernen Zeiten aufzuweisen hat, durch das Werk des Zanvettori gerettet.