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Mantova Rundgänge durch Mantova

 

 

 

 

 

 

     
Mantova
  Rundgang 1  
     


Obst- und Gemüsemarkt

Piazza Mantegna- Piazza Broletto
Wie alle Städte, die auf eine große Geschichte und auf eine rege Kulturtätigkeit zurückblicken können, hat Mantua einen umfassenden, sehenswerten alten Kern aufzuweisen, der hauptsächlich um die größeren Plätze angeordnet ist: Piazza delle Erbe, Piazza Broletto, Piazza Mantegna und Piazza Sordello.

Diese Plätze und die Gebäude, die sie einschließen, stellen noch heute die Mittelpunkte des politischen, religiösen und kulturellen Lebens der Stadt dar. Außerhalb dieses alten Stadtkerns tragen freilich weitere Baudenkmäler von historischer und künstlerischer Bedeutung zur Verschönerung Mantuas bei, aber es erscheint angebracht, doch hier im Zentrum mit der Besichtigung zu beginnen.

Die PIAZZA DELLE ERBE, der Obst- und Gemüseplatz, ist ein wesentlicher Bestandteil des alten Stadtkerns, besonders sehenswert wegen der Gebäude, die ihn umkränzen. Er ist fast genau rechteckig und durch eine lange Reihe Lauben gekennzeichnet, unter denen Kaufläden in schier ununterbrochener Folge aneinandergrenzen.

Farblich wiegt das Braunrot des Ziegelmauerwerks vor (auch der »Palazzo della Ragione« wurde aus Backsteinen erbaut) und der bernsteinfarbene Schimmer der Gebäude auf den anderen Seiten. Außer dem Palazzo della Ragione schauen auf den Obst und Gemüseplatz das Rathaus, der Uhrturm, die Rotonda von San Lorenzo und das Bürgerhaus Boniforte herab.

Der PALAZZO DEL PODESTA, wörtlich «Gebäude des Amtsbürgermeisters», also Rathaus, schließt den Platz auf einer der Schmalseiten ab, aber nicht mit der Hauptfassade, die dem anschließenden Broletto-Platz zugekehrt ist.

Das ursprüngliche Gefüge des Palastes reicht in das Mittelalter zurück: wie eine Inschrift bezeugt, war das Baujahr 1227. Wie schon der Name sagt, hatte in diesem Bau für viele Jahre die Kommunalregierung ihren Sitz.

In späterer Zeit wurde das Gebäude umgestaltet (besonders die Fassade) und von Luca Fancelli restauriert: das war der Künstler, durch dessen Hand Herzog Ludwig von Gonzaga der humanistischen Stilrichtung der Renaissance Gestalt geben wollte, die sich in der Toskana bereits behauptet hatte.

Dem Gebäude sind daher in seinem heutigen Zustand die beiden Bauabschnitte anzumerken, in denen daran Hand angelegt wurde, und man muß auch zugeben, daß "die etwas grobschlächtige, aber eindrucksvolle Schlichtheit der ursprünglichen Architektur im Zuge der späteren Umgestaltung ein wenig verfälscht worden ist.

Man beachte in der Fassade das Standbild »Vergil auf dem Lehrstuhl« (in einer Nische mit einem Spitzbogen darüber).

DER PALAZZO DELLA RAGIONE schließt den Obst- und Gemüseplatz auf der Ostseite ab. Er ist zinnenbewehrt, wirkt mächtig, aber nicht plump. Das Baujahr war 1250. Auf der Längsseite ist der Baukörper durch eine Reihe Bögen aufgelockert, die mit feinen Marmorsäulen unterteilte Dreibogenfenster einschließen.

Beachtenswert ist die Wirkung von Formen und Farben dank des Hell-Dunkel dieser Bogenreihe, in der das Weiß der Marmorsäulen von der ziegelroten Fassadenfläche absticht. Im tieferen Teil verläuft unter einem Vordach ein Säulengang aus dem 16. Jahrhundert, der aber viel später restauriert wurde und daher nicht im Einklang mit der Architektur der Fassade steht.

Im Palazzo della Ragione tagte der Oberste Gerichtshof, dem im 1. Obergeschoß ein Riesensaal vorbehalten war, den man heute noch besichtigen kann. In diesem weitläufigen Raum, der seiner Zweckbestimmung entsprechend irgendwie finster und streng wirkt, ist noch heute ein Teil der Fresken zu sehen, die ihn einst schmückten, und die eines der wenigen Zeugnisse mittelalterlicher Malkunst in Mantua darstellen.

Es handelt sich um die sog. »Kriegerreihe« (12. Jahrh.) und um einen Reigen religiöser Gestalten (im 13. Jahrh. von einem gewissen Grisopolo signiert). Beide Zyklen wirken byzantinisch und weichen sehr stark von der romanischen Malkunst ab, die in der ganzen Gegend so weit verbreitet war.

Der UHRTURM: er ist an den Palazzo della Ragione angebaut und beherrscht den Platz mit seiner Wucht und der warmen Farbtönung des Backsteins. Die Bezeichnung stammt von der Uhr, die in die Fassade eingebaut ist und die für frühere Zeiten eine recht umständliche, ja geniale Maschinerie darstellte.

Der Uhrturm ist ein Werk des schon genannten Luca Fancelli, der sich dabei an die damals in einem guten Teil Italiens verbreiteten klassischen Vorbilder hielt. Aus dem 17. Jahrhundert stammt das Madonnenstandbild in einer aus der Turmfassade ausgesparten Nische.

Die ROTONDA DI S. LORENZO: Sie schließt den Platz auf der Ostseite zusammen mit dem schon erwähnten Palazzo della Regione und dem Uhrturm ab. Der Bau liegt heute etwas unter dem Niveau der Piazza delle Erbe. Es handelt sich um eine hübsche romanische Kirche aus dem ausgehenden 11. Jahrhundert, ebenso schlicht wie ansprechend aus Backsteinen auf kreisförmigem Grundriß erbaut.

Die Außenmauer ist in regelmäßigen Abständen mit geschmeidigen, aber stark vorspringenden Lisenen unterteilt, über denen kleine Bögen auskragen: diese Motive sind ja für die romanische Architektur weitgehend kennzeichnend.

Die Kuppel ganz oben ist durch einen zylinderförmigen Baukörper versteckt, der kleiner ist als der darunterliegende: auch hier besteht der Schmuck in einer Reihe von Hängebögen, welche die Wandung mit einem leichten Spiel von Hell und Dunkel betonen. Darüber befindet sich die spitzkegelförmige Abdeckung.

Ebenso schlicht wie das Äußere ist auch die Innengestaltung der Rotonda von S. Lorenzo, gleichzeitig aber ebenso eindrucksvoll wegen der einfachen Bauweise, der schmucklosen Wände und der unaufdringlichen Einwirkung auf den Besucher, die mit der prunkvollen Ausgestaltung anderer Gotteshäuser nicht erreicht werden kann. Der kreisförmige Grundriß ist auch im Inneren zu sehen, die Unterteilung wurde durch rundherum angeordnete Säulen (ebenfalls aus Backstein) erreicht, auf denen die Gewölbe ruhen. Eine gewisse Geschmeidigkeit verleiht diesem architektonischen Gebilde ein zweiter Kreis Säulen im Obergeschoß, die wiederum ein Spiel von Hell und Dunkel bewirken.

Ebenfalls auf dem Obst- und Gemüseplatz ist auch das an die Gotik gemahnende Bürgerhaus CASA DEL BONIFORTE, eines reichen Händlers, zu sehen. Was sich uns darbietet, ist ein Stilgemisch, das in einem gewissen Sinne von der Vorliebe des Bürgertums zeugt, gerade um das 15. Jahrhundert den eigenen Wohlstand auch nach außen hin zu zeigen.

Auf den anderen Seiten des Platzes folgen weitere, mehr oder weniger alte Gebäude in ziemlich unregelmäßiger Reihenfolge aufeinander, mit etwas verwaschenen Fassaden, aber doch immer noch warm wirkenden
Farben.

An den Obst- und Gemüseplatz schließt die kleine PIAZZA MANTEGNA an, die auch engstens in den alten Stadtkern eingegliedert ist, und auf diesen Platz schaut die ebenso große wie schöne ANDREASKIRCHE herab.

Dieses kirchliche Gebäude ist ohne Zweifel eines der bedeutsamsten für die Kenntnis der künstlerischen Entwicklung im 15. Jahrhundert und von enstrangiger Wichtigkeit in der gesamten Renaissance.

Das Gotteshaus wurde von Leon Battista Alberti (1404-1472) geplant, das war ein bekannter Humanist und vor allem ein Verehrer der Antike. Gerade im Sinne einer Rückkehr zu den Werten der Klassik, ist die architektonische Lösung zu verstehen, die der Künstler in seinem Schaffen stets angestrebt hat.

Er greift keineswegs schematisch und kalt die klassischen Motive wie Bögen, Lisenen, Giebelfelder, Kapitelle, dekorative Elemente usw. wieder auf, und er trachtet vor allem, den Sinn für harmonische, ausgewogene Raumverteilung wieder zu erwecken und dadurch gemessene Feierlichkeit zu erreichen. Vielleicht wirkt seine Kunst auch deshalb ein wenig abstrakt.

Die Planung der Basilika stammt wohl von Alberti (erdacht 1470), aber die Ausführung ist Luca Fancelli zuzuschreiben, der nach dem Tod des Künstlers die Bauleitung übernahm. Die Kirche wurde ja erst im 16., ja zum Teil erst im 17. Jahrhundert vollendet, und die Kuppel schuf erst Filippo Juvara eben in dem letztgenannten Jahrhundert.

Die Fassade ist dreiteilig, in der Mitte ist ein riesiger Bogen ausgespart, der sich bis zur gesamten Höhe des Gotteshauses schwingt: dieses Motiv des Riesenbogens hat Alberti wohl den bei den Römern üblichen Triumphbögen entlehnt. Auf den Seiten ist die Fassadenfläche durch Fenster und Nischen aufgelockert, die Trennung vom Mittelkörper wurde durch Halbsäulen mit Kapitellen darüber erreicht. Ganz oben krönt die Fassade ein mächtiges Tympanon, das irgendwie die einzelnen Bestandteile miteinander vereint, und dieselbe Aufgabe erfüllt auch der zusätzliche mächtige Bogen über dem Tympanon. (Hiezu sei noch einmal bemerkt, daß es sich um architektonische Motive handelt, die der Klassik
entlehnt sind). Zur Seite der Basilika erhebt sich der ebenso mächtige wie geschmeidige gotische Glokkenturm.

Tritt man durch den großen Torbogen, so gelangt man in die Vorhalle mit ihren formschönen Kassettengewölben. Das Kircheninnere besteht aus einem einzigen mächtigen Schiff, zu dessen Seiten sich geräumige Kapellen auftun. Diese Seitenkapellen sind sehr tief und regelmäßig angeordnet. Damit hat Alberti auf neuartige und geniale Weise die herkömmliche Vorstellung vom dreischiffigen Gotteshaus verwirklicht. Man gewinnt tatsächlich den Eindruck einer festeren Gliederung, einer umfassenderen Gestaltung und einer ganz ungewöhnlichen Feierlichkeit und Majestät.

Dieser Eindruck rührt nicht nur von der Großzügigkeit der Baumaße her, sondern auch von dem gelungenen Spiel der Größenverhältnisse zwischen dem Kirchenschiff und den Seitenkapellen, von dem ausgewogenen Gleichgewicht der einzelnen Baukörper und von der Anwendung bestimmter Proportionen (gestützt auf die geometrischen Formen von Kugel, Kreis und Quadrat): diese Proportionen vermitteln mehr als alles andere den Begriff von einer harmonischen Raumteilung, die für das menschliche Auge erfaßbar ist.

Sehr stattlich ist das Tonnengewölbe über dem Schiff und den Seitenkapellen. Nicht ganz im Einklang mit der Struktur des Gotteshauses steht hingegen das im Laufe der späteren Jahrhunderte angebrachte Dekor, denn die architektonischen Elemente dieses Baues schließen bereits wesentliche dekorative Elemente in sich, die so streng bemessen sind, daß eine Überladung durch weitere Zieraten abgelehnt werden muß.

Betrachten wir nun im einzelnen die Werke, die das Gotteshaus im Inneren in meisterhafter Weise schmücken. Dabei müssen wir uns freilich nur auf die wichtigsten beschränken.

1. rechtsseitige Kapelle: in dieser befindet sich der Taufbrunnen, darüberhinaus aber auch drei gelungene Werke von Correggio: »Die Grablegung Jesu«, »Die Hl. Familie« und »Christi Himmelfahrt« (dieses letztgenannte Gemälde ist vorwiegend den Gehilfen des Meisters zuzuschreiben).

2. rechtsseitige Kapelle: Werke von Andrea Pagni.

1. Kapelle links: in dieser befindet sich die schöne Grabstätte von Andrea Mantegna, denn hier wurde der große Künstler zur letzten Ruhe gebettet, der viele Jahre in Mantua wirkte und die Stadt mit seinen Meisterwerken schmückte. Man beachte oberhalb der Grabstätte die Bronzebüste, die vielleicht Mantegna selbst geschaffen hat. Auch die Ausschmückung der Kapelle hat der Meister selbst erdacht, aber ausgeführt hat er nur den die »Hl. Familie« betreffenden Abschnitt.

Die restlichen Bereiche vollendeten seine Schüler und selbst seine Söhne.

In den Kapellen längs des Hauptschiffs und im Querschiff befinden sich aber noch viele andere beachtliche Werke. Von den berühmtesten wollen wir erwähnen:

— die verschiedenen Mausoleen aus dem 16. Jahrhundert, von denen besonders diejenigen von Strozzi und Andreas! Beachtung verdienen;

— die Fresken der Kuppel, im 18. Jahrhundert von Anselmi geschaffen;

— einige Gemälde von Lorenzo Costa dem Jüngeren (16. Jahrhundert);

— auf dem Hochaltar die Reliquie mit dem Blut Christi. Sie gelangte 1572 in die Hände des Herzogs Wilhelm und wurde zunächst in der Barbarakirche verwahrt, bis man sie in die jetzige Basilika überführte, die eigens zu Ehren des Bluts des Erlösers als würdige Stätte erbaut wurde.

Anschließend können wir die Krypta besichtigen und die Kirche auf der Hinterseite verlassen, wo die Ansicht der Apsis besonders eindrucksvoll ist.

Wir kehren nun auf den Obst- und Gemüseplatz zurück, gehen an dem schon erwähnten Palazzo del Podestä vorbei und erreichen PIAZZA BROLETTO.

Hier sind einige bemerkenswerte Bauten zu sehen, und zwar außer der Fassade des Palazzo del Podestä einige Paläste aus dem 15. Jahrhundert (auf einer Mauer sind noch Spuren von Fresken zu sehen); dann sind da mittelalterliche Häuser, der sog. Arengiario und der überaus hohe Turm Jorre della Gabbia, den man an dem weit oben angebrachten Käfig erkennt, in den in früheren Zeiten die Verurteilten eingesperrt wurden.