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Mantova Rundgänge durch Mantova

 

 

 

 

 

 

     
Mantova
  Rundgang 5  
     

Die südlichen Stadtviertel

Vom Platz der Märtyrer von Belfiore zum »Palazzo del Te«

Wir nehmen den zentral gelegenen Platz der Märtyrer von Belfiore als Bezugspunkt und begeben uns nun in den südlichen Teil der Stadt. Die Via Chiassi, die hier beginnt, führt am Palazzo Aldegatti aus dem 16. Jahrh. vorbei (man beachte das schöne Portal) und führt dann zur Kirche des Hl. Mauritius, die im 17. Jahrh. vom Architekten Antonio Maria Viani erbaut wurde, dem Schöpfer mehrerer Bauwerke, darunter des berühmten »Palazzo del Gonzaga di Vescovato«, von dem an anderer Stelle noch die Rede sein wird. Im Inneren des Gotteshauses sind einige Gemälde von Ludovico Carracci zu sehen, ferner solche von Bazzani und Denys.

Setzen wir den Weg durch die Via Chiassi fort und biegen bei der Via Carlo Poma links ab. Da stoßen wir auf zwei sehr beachtenswerte Gebäude, nämlich das Haus von Giulio Romano und die Kirche zur Hl. Barbara.

Die Barbara-Kirche: dabei handelt es sich um ein Werk des Architekten Moscatelli, der es in den ersten Jahren des 18. Jahrhunderts in ziemlich origineller Form plante, wie besonders das einschiffige Innere zeigt. Die Fassade hingegen wurde von dem Künstler Antonio Bibiena geschaffen.

In dem — wie gesagt — einzigen Kirchenschiff kann man einige Werke von Lorenzo Costa und Giuseppe Bazzani besichtigen. Von letzterem erwähnen wir vor allem das schöne Bildnis des Hl. Romuald (derzeit in der Sakristei), eine der gelungensten Schöpfungen des Meisters. Das maßvolle Licht- und Schattenspiel bewirkt eine eindrucksvolle, dem behandelten Thema angemessene Stimmung, denn hier geht es um Vision und Traum.

Wenig weiter finden wir das Haus von Giulio Romano. Hier wohnte der Künstler während seiner ganzen Schaffenszeit in Mantua. Das Gebäude bestand bereits, aber er gestaltete es nach seinem eigenen Geschmack um, er schmückte es nach den ihm eigenen architektonischen und malerischen Vorstellungen aus.

Giulio Romano (eigentlich Giulio Pippi, 1492 in Rom geboren) war gegen 1524 von Baldassarre Castiglione nach Mantua gerufen worden, und er blieb für den Rest seines Lebns in dieser Stadt, arbeitete emsig und hinterließ überaus zahlreiche Werke, darunter die sogenannte »Rustica«, den »Palazzo del Te«, die »Pescherie«, den Dom, die Dominikuskirche und
zudem verschiedene Gemälde zur Ausschmükkung dieser Gebäude. Angesichts der großen Zahl seiner Werke und ihrer auffälligen Unterscheidungsmerkmale drückte er der Stadt den Stempel einer Geschmacksrichtung und eines Stils auf, den auch Künstler in späterer Zeit nicht übergehen konnten.

Ein Merkmal des Hauses von Giulio Romano ist — wie bei anderen von ihm geschaffenen Bauten — der rustikal bearbeitete Naturstein. Sowohl in der Architektur, als auch in der Ausschmückung des Inneren zeigt sich die Vorliebe des Künstlers für eine gewisse Üppigkeit der ornamentalen Motive und für effektvolle Lösungen.

Er wurde ja in der Schule Raphaels ausgebildet und liebte daher die klassischen Motive, aber oft haftet ihnen etwas Akademisches an, oft wirken sie allzu monumental; nur in Einzelfällen erreicht Giulio Romano maßvolle Harmonie.

Wir gehen nun weiter durch die Via Carlo Poma, kommen an einem Gebäude aus dem 16. Jahrhundert vorbei, das vielleicht auch Giulio Romano geschaffen hat (die Fassade ziert eine hübsche tönerne »Mutter mit dem Kind«), und dann am Justizgebäude, auch »Palazzo dei Gonzaga di Vescovato« genannt (die Bezeichnung rührt von einem Zweig des Geschlechts der Gonzaga her).

Dieses Gebäude gestaltete der Architekt Antonio Maria Viani in den ersten Jahren des 17. Jahrhunderts in einer Form, die man gleichzeitig als majestätisch wie auch als bühnenbildnerisch bezeichnen könnte. Die langgestreckte Front des Palastes ruht auf einem wuchtigen Natursteinsockel.

Im oberen Teil, wo der behauene Stein nicht so sehr in Erscheinung tritt, ist die Fassade durch große Halbsäulen unterteilt, auf denen Kariatiden sitzen. Diese Architektur ist ohne Zweifel effektvoll, schon einmal wegen der eindeutigen Bewegtheit des tragenden Mauerwerks. Das Innere ist prunkvoll gestaltet.

Die Dekore (man beachte besonders die Fresken der sogenannten Keilerjagd) stammen von Viani selbst. Wir gehen nun weiter bis zur Kreuzung zwischen der Via Poma, Via Principe Amedeo (die wiederum zum Platz der Märtyrer von Belfiore führt), dem Corso Giulio Romano (der in den Ostvierteln der Stadt ausmündet) und der Via Giovanni Acerbi. Gerade diese letztgenannte Straße schlagen wir ein, um des Haus Mantegnas zu besichtigen.

Der Bau stammt aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Ludwig Gonzaga selbst war es, der dem Meister das Grundstück schenkte, nachdem er das berühmte Zimmer der Brautleute ausgemalt hatte. Der Bauplan für das Haus des Künstlers stammt vielleicht von ihm selbst, aber man hat keine Beweise dafür.

Wenn schon, läßt sich eine gewisse Ähnlichkeit zwischen den getroffenen architektonischen Lösungen und der plastischen Gestaltung feststellen, die Mantegna dem genannten berühmten Zimmer gab.

Da ist zum Beispiel der originelle zylinderförmige Innenhof, wirklich suggestiv und harmonisch, der an das sogenannte Auge in der Deckenmitte des Zimmers der Brautleute erinnert. In beiden Fällen ist das Motiv des Kreises in eine würfelförmige Baumasse wie der des Hauses oder der des Zimmers eingefügt. Die Verbindung dieser beiden geometrischen Formen reicht wohl nicht aus, um Mantegna auch das Projekt seines Wohnhauses zuzuschreiben, aber die ebenso geniale wie für die damalige Zeit einzigartige Lösung läßt doch an einen einzigen Urheber denken.

Nicht weit vom Haus Mantegnas entfernt steht die schöne Kirche zum Hl. Sebastian. Das ist ein besonders gelungenes Werk des Architekten Leon Battista Alberti, der auch die Andreaskirche schuf. Mit dem Bau wurde in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts begonnen, aber die Arbeiten schritten nur langsam voran.

Das Originelle der architektonischen Lösung wird schon in der Fassade deutlich: dabei darf man allerdings nicht vergessen, daß der vorgelagerte Treppenaufgang erst viel später hinzugebaut wurde. Die klassischen Gestaltungselemente der Fassade — das Tympanon, die Bögen, die zierlichen Lisenen — vermitteln einen ganz neuartigen Eindruck, denn sie erscheinen irgendwie körperlos, es gibt nahezu nichts Ornamentales; was vorherrscht, ist eine nahezu reine, nur ganz zart unterteilte Mauerfläche.

Die. Loggia an der rechten Seitenwand des Gotteshauses ist schlicht und harmonisch, ausgesprochen linienrein gestaltet. Durch sie gelangt man in das Innere in Form eines griechischen Kreuzes, also auf allen vier Seiten gleich lang. Auch hier überrascht einen die maßvolle Schlichtheit der Gestaltung. Zu beachten die hübsche Tribüne und die Grabmäler einiger der Märtyrer von Belfiore.

Nicht minder suggestiv und zur Einkehr ladend ist die Krypta. Setzen wir nun unseren Rundgang über die »Piazza XXIV Maggio« fort, so gelangen wir zum »Piazzale Vittorio Veneto«, wo einst das alte Stadttor »Porta Pusteria« war, das nun verschwunden ist, und begeben uns durch die gleichnamige Allee zum PALAZZO DEL TE Er wurde auf Geheiß Friedrichs II. von Gonzaga erbaut, der eine abgelegene Residenz für seine Mußestunden und für seine Unterhaltung wünschte.

Der Palast ist ohne Zweifel das architektonische Meisterwerk von Giulio Romano und auch eines der bemerkenswertesten Beispiele für eine herrschaftliche Residenz. In dem ursprünglichen Projekt waren eine Art Landhaus von bescheidener Größe vorgesehen, so wie man sich eben eine Zweitresidenz vorstellt.

Aber Giulio Romano erweiterte schon bald das ursprüngliche Konzept zu etwas Umfassenderem und Großartigem, wie man es bisher noch nie gesehen hatte, und darin unterstützte ihn der Herzog, der von seinen Zeichnungen begeistert war und ganz mit ihm einig ging, daß man ein weiteres Zeugnis für die Größe und Pracht seines Hofes ablegen sollte. So entstand zwischen 1 525 und 1535 anstelle der ursprünglich erdachten Villa ein wahrer Palast.

Wir haben schon gesagt, daß dieses Gebäude das architektonische Meisterwerk von Giulio Romano darstellt, und es ist wirklich so, daß wir uns bei einem Vergleich mit seinen zahlreichen anderen Schöpfungen dieser Tatsache bewußt werden. Denn die architektonischen Gesichtspunkte sind wohl dieselben, die Struktur baut auf die üblichen klassichen Motive auf, aber das Endergebnis ist ein anderes: der Palast ist nicht so auffällig, nicht so kategorisch, ihm haftet nichts Bühnenbildnerisches an.

Weil das Gebäude langgestreckt ist, wirken die Flächen ruhiger und die Zieraten maßvoller. Das Natursteinmauerwerk ist weniger auffällig, die gesamte architektonische Gestaltung wirkt eher linear, der Baukörper ruht förmlich im Grün der Parkanlagen. Unser Besuch gilt außer dem schönen Garten und dem an den Palast angebauten Grottenpavillon einer ganzen Flucht von Sälen. Wir besichtigen der Reihe nach:

— den Hof, ebenso weitläufig wie prunkvoll; - den sogenannten Sonnensaal, der so heißt, weil Giulio Romano selbst das Gewölbe mit einer Sonne schmückte;

— den Saal der »Unternehmen« (hier sind nämlich die wichtigsten Unternehmungen des Geschlechts der Gonzaga bildnerisch geschildert);

— den Saal der Metamorphosen mit den Fresken, deren Sujets eben dem bekannten Buch der Metamorphosen von Ovid entlehnt sind;

— den Saal der Pferde mit seiner prächtigen Holzdecke und den Abbildungen der von Herzog Franz II. bevorzugten Pferde;

— den Saal der Psyche. Das ist wohl der berühmteste unter den Sälen des Palastes, und zwar dank der Schönheit der Fresken, welche die Wände zur Gänze bedecken. Auch sie hat Giulio Romano, wenn auch in Zusammenarbeit mit mehreren Schülern, geschaffen. Hier hat der Künstler wohl das Beste von seiner Malkunst hinterlassen.

Unter den verschiedenen Szenen ragt die Darstellung von Amor und Psyche hervor: damit wollte der Meister wohl unter der diskreten Umschleierung der Mythologie ein Liebesverhältnis des Herzogs andeuten, und die Allegorie der Seele, die imstande ist, sich irdischer Versuchungen zu erwehren.

Giulio Romano hält sich auch hier im wesentlichen an die Kunstregeln Raphaels, die Gestalten erinnern eindeutig an die Klassik der Antike, aber die Gesamtgestaltung ist maßvoller, harmonischer, der Eindruck ist unmittelbarer und frischer, schon einmal weil die Szenen in weiträumige und lichtvolle Landschaften eingefügt sind. Zudem geht Giulio Romano hier mit den ornamentalen Motiven, die in seiner Malweise so häufig und reichlich wiederkehren, ja ein Charakteristikum dafür darstellen, sparsamer um und fügt sie besser in die Gesamtschilderung ein. Einen Hinweis verdient auch die Feinsinnigkeit, mit welcher der Künstler Geschirr und Vasen zu malen verstand: er läßt sie im Sonnenlicht erstrahlen und irgendwie kostbar werden;

- den Saal der Tierkreiszeichen, die allesamt mit strenger Folgerichtigkeit in ein netzförmiges, geometrisches Gebilde eingefügt sind;

— den Saal der Adler, dessen schöne Decke mit der Darstellung Phäthons geschmückt ist, wie er eben vom Wagen stürzt.

Wir gelangen nun zur sogenannten Loggia del Te, die den ersten Gebäudeflügel von den weiteren Gemächern trennt. Im zweiten Trakt besichtigen wir:

— den Saal der Stukkaturen, in dem eben auch die Wände mit einem langgezogenen Stuckfries geschmückt sind: daran haben Meister Primaticcio und Meister Scultori Hand angelegt;

— den Saal Cäsars, den Giulio Romano selbst mit der Hilfe seiner Schüler gestaltete;

— den Saal der Riesen. Mit den großangelegten Fresken in diesem Raum sollte der Sieg Kaiser Karls V. gefeiert werden. Die Sujets sind Zeichnungen von Giulio Romano entnommen, aber die Fresken selbst hat Rinaldo Mantovano gemalt.

Geschildert wird damit der Sturz der Giganten aus dem Olymp: nach der griechischen Mythologie hatten sie sich gegen ihren König aufgelehnt und wurden daher von ihm mit Blitzen erschlagen. Die Szenen wirken apokalyptisch, die Gestalten sind so riesig, daß sie den Raum einzuengen scheinen, geradezu beängstigend ist der Fall von Felsblöcken und Säulen, der den Sturz der Riesen unterstreicht.

Dennoch erscheint die Tragödie, dieser Zusammenbruch von Dingen und Menschengestalten für den Beschauer als etwas Äußerliches zu sein, als ein Ereignis, das ihn kaum berührt;— einige weitere, kleinere, aber ebenfalls ausgeschmückte Zimmer, wie — den Saal der Achtecke, dessen Wände mit Stukkaturen geschmückt sind.

Wir beschließen die Besichtigung des Palazzo del Te mit einem Abstecher in den Garten und zum Grottenpavillon. Bei letzterem handelt es sich um ein vorspringendes, aber doch mit dem Hauptkörper zusammenhängendes Gebäude. Es ist architektonisch recht hübsch und ansprechend, nicht zuletzt dank seiner geringen Abmessungen. Auch hier sind die Räume, wenn auch zum Teil etwas verfallen, heute noch mit Fresken und Stukkaturen geschmückt, an denen verschiedene Künstler arbeiteten.