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Rimini Sehenswertes in Rimini

 

 

 

 

 

     
Rimini
  Kathedrale von Rimini  
     
     

Der Tempio Malatestiano

Die derzeitige Kathedralkirche von Rimini wird gewöhnlich "Tempio Malatestiano" genannt, eine Bezeichnung, die im 18. Jahrhundert aufkam: Tempio steht für Kirche und ist eher eine wörtliche Übernahme als eine Übersetzung von "Templum", einem Begriff, der im humanistischen Latein ständig gebraucht wurde; Malatestiano soll an die herrschaftliche Familie Sigismondo Pandolfos erinnern - und sie in einem gewissen Sinn auch feiern -, denn er war es, der die Kirche um die Mitte des 15. Jahrhunderts grundlegend umbaute und ihr die feierlichen Renaissanceformen verlieh, die wir heute noch sehen und die sie zu einem Meisterwerk und einem "Symbolbau" des Humanismus machten.

Aber ihre Gescliichte ist nicht nur die der Renaissance und des Humanismus, auch ist sie nicht nur mit der Familie Malatesta verbunden; sie ist lang und durch Umbauten und Zerstörungen gekennzeichnet.

Seit knapp zwei Jahrhunderten (seit 1809) ist sie Kathedrale mit dem Titel Santa Colomba; vorlier war sie über ein halbes Jahrtausend eine Kirche der franziskanischen Konventualen, die dem heiligen Franziskus geweiht war, und davor eine (zu Pomposa gehörige) Benediktinerkirche, die der Madonna geweiht war (Santa Maria in Trivio).

Die gesamte Außenwandverkleidung ist ein zwischen 1450 und 1460 entstandenes Werk von Leon Battista Alberti; sie sollte einer einfachen Franziskancrkirclie, in der seit langem die Grabstätten der Malatesta untergebracht waren, eine 'moderne' Feierlichkeit und Solidität verleihen.

Sie ist von den Bauprinzipien und Formen der römischen Architektur der Kaiserzeit inspiriert, die in Rimini zwei viel bewunderte Beispiele hinterlassen hat: den Augustusbogen und die Tiberiusbrücke, und stellt die erste "klassische" Interpretation einer christlichen KircJie dar.

Die lateinische Inschrift, die über die Fassade läuft, und zwei griechische Inschriften an den Seiten besagen, dass Sigismondo sie im Heiligen Jahr 1450 auf Grund eines in den "italischen Kriegen" gemachten Gelübdes erbaute und dass sie Gott und der Stadt geweiht ist.

Anfangs waren die Absichten Sigismondos viel bescheidener und sahen nur den Bau zweier Familienkapellen auf der rechten Seite vor, wo die Arbeiten - in absolut traditionellen Formen - im Jahr 1447 begonnen worden waren.

In der Folge müssen Überlegungen religiösen Charakters (das Gelübde), propagandistische Pläne (ein großes "Mausoleum" der Dynastie) und vielleicht auch statische Gründe (die Arbeiten konnten eventuell die Stabilität des Baus in Gefahr gebracht haben) den Fürsten überzeugt haben, das Gebäude vollständig umzubauen und einen Gesamtplan von Alberti anzufordern, dem Architekten und Humanisten, der am Hof des Papstes und an dem der d'Este gleichermaßen beliebt war.

Im Tnnenraum wurden die Arbeiten jedoch im Stil der ersten beiden Kapellen auf der rechten Seite fortgesetzt, wo das Maucrwerk schon aufgezogen war, so dass in dem heutigen Bau die klassische Außenseite einem gotischen Innenraum gegenüberstehl, der die dem höfischen Geschmack entsprechende traditionelle Ornamentalkurist gut wiederspiegelt (kaum gemildert durch wahrscheinlich von Alberti selbst empfohlene "Korrekturen").

Das einzige Element, das die beiden Teile vereint, ist die deutliche Absicht zu rühmen: außen den neuen Menschen, der die Geschichte beherrscht und sich seines Geistesadels bewusst ist, innen den Fürsten, der sich seines Reichtums und eines Zirkels von Gelehrten erfreut, für die er an den Seiten des Gebäudes feierliche Grabmaler errichtet hat.

Der Bau ist offensichtlich sowohl im Inneren wie auch im Äußeren unvollendet. Die Unterbrechung der Arbeiten um 1460-61 erfolgte wegen der Auseinandersetzungen zwischen Papst Pius II. und Sigismondo und der Rebellion des letzteren, der 1460 exkommuniziert und 1463 besiegt wurde und einen großen Teil seines Staats verlor.

Der Innenraum ist durch ein einziges Schiff mit offenem Dachstuhl gekennzeichnet, das von acht Kapellen und einer geräumigen Apsis flankiert wird. Es scheint, dass Alberti für das Schiff ein Tonnengewölbe und anstelle der Apsis einen großen, runden Kuppelbau vorgesehen hatte. Heute wird in der nach dem Krieg wieder aufgebauten Apsis das einzige erhaltene Überbleibsel der gotischen Kirche aufbewahrt: ein großes, von Giotto um das Jahr 1300 auf Tafel gemaltes Kruzifix, und in der links anliegenden, ebenfalls rekonstruierten Kapelle das einzige Zeugnis der ursprünglichen franziskanischen Widmung der Kirche: ein Ölgemälde mit dem heiligen Franziskus, der die Wundmale empfängt, 1548 von Giorgio Vasari für die Apsis gemalt.

Die übrigen sechs Kapellen sind aus dem 15. Jahrhundert; sie sind durch hohe und vorspringende Marmorbalustraden, gotische Bögen und Fenster, Marmorverkleidung, Flachreliefs und Statuen gekennzeichnet.

Alle Skulpturen des Tempio sind dem Florentiner Agostino di Duccio zuzuschreiben, der mit seiner Werkstatt ein Jahrzehnt lang hier arbeitete, mindestens bis 1456; die architektonisch-dekorative Anlage dagegen ist dem Veronesen Matteo de" Pasti zu verdanken, der Medaillenpräger, Miniaturenmaler, Architekt und Obcrintendant aller von Sigismondo in Auftrag gegebenen Bauten war.

Die Themen der Abbildungen, die die Kapellen schmücken, wurden von den Gelehrten des Hofs vorgeschlagen und auf Grund von Untersuchungen von Humanisten vom Range eines Basinio da Parma, Roberto Valturio und Poggio Bracciolini ausgeführt.

Die erste Kapelle zur Rechten wurde 1447 als erste errichtet und 1452 feierlich dem heiligen Sigismund geweiht; sie war aber 1449 schon fertig bis auf einen der Tradition entsprechenden Freskenschmuck. Vielleicht auf Vorschlag von Leon Battista Alberti wurde sie dann aber mit Marmor ausgekleidet.

Der zuvor für die Ausführung der Dekoration vorgesehene Maler Piero della Francesca wurde stattdessen für ein Fresko mit der Verehrung des heiligen Sigismund durch Sigismondo eingesetzt (firmiert und datiert 1451) es befindet sich in dem bescheidenen anliegenden Raum, der als Sakristei und Schatzkammer dienen sollte.

Auf dem Altar die Statue des heiligen Sigismund, König von Burgund, auf einem Thron, der von zwei Elefanten gebildet wird, den Lieblings-'Wappentieren' der Malatesta; Elefanlenpaare stützen die Pfeiler, die die Darstellung der Kardinaltugendcn und der göttlichen Tugenden tragen. Neben dieser Kapelle, die als Familien- und Begräbniskapelle gedacht war, befindet sich das Marmorgrabmal von Sigismondo, der 1468 im Alter von knapp über fünfzig Jahren starb.

Die zweite Kapelle mit dem Grabmal der Isotta degli Atti, der Geliebten und späteren Gemahlin von Sigismondo, enthält in der mittleren Nische die Marmorstatue des Erzengels Michael; sehr fein gearbeitete Tafeln mit musizierenden und singenden Engeln schmücken die Pfeiler. Die dritte, ganz mit rolem Marmor aus Verona ausgekleidete Kapelle sollte vielleicht dem heiligen Hieronymtis geweiht werden; man nennt sie die "Planetenkapelle" wegen der Darstellung der Planeten und der Tierkreiszeichen; sie muss als eines der absoluten Meisterwerke des Agostino di Duccio und der italienischen Bildhauerkunst des 15. Jahrhunderts angesehen werden.

Auf der gegenüberliegenden Seite des Schiffs befindet sich die sogenannte Kapelle der "Freien Künste", heute dem heiligen Josef geweiht (mit einer Bronzestatue von Enrico Manfrini, 1999).

Die erlesenen Abbildungen an den Pfeilern gehören zu den letzten, die Agostino di Duccio in Rimini (1456) meißelte; wegen ihrer Eleganz wurden sie für Werke antiker griechischer Bildhauer gehalten, die Sigismondo während seines letzten Feldzugs gegen die Türken (1464-66) auf dem Pcloponnes erheutet haben sollte.

Auf derselben Seite folgt die sogenannte "Kapelle der Kinderspiele" mit Flachreliefs, die spielende Engelchen und Putten in perfekter Übereinstimmung von Form und Inhalt mit der gegenüberliegenden Kapelle des Erzengels Michael darstellt.

Die nächste Kapelle, die letzte zur Fassade hin, war ursprünglich den Märtyrern geweiht; heute ist sie der Madonna della Pietä, auch Wasser-Madonna genannt, geweiht, die als Schutzpatronin gegen Naturkatastrophen angerufen wird.

Das Bild in der Mittelnische ist ein deutsches Werk aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Auf den Pfeilern - die wie in der gegenüberliegenden Kapelle von Elefanten getragen werden - sind Propheten und Sibyllen und auf dem unteren Sockel zwei Porträts von Sigismondo in Stein gehauen.

Der Sarkophag der Vorfahren und Nachkommen von Sigismondo, der unter einem prunkvollen Faltenwurf im gotischen Stil aufgestellt ist, weist zwei Flachreliefs auf, die die Verdienste der Familie Malatesta auf kulturellem Gebiet (Der Triumph der Minerva) und den mit den militärischen Siegen errungenen Ruhm (Der Triumph des Scipio) darstellen.

Die Kapelle wurde 1862 nach Plänen des Architekten Luigi Poletli umgestaltet: dieser Umgestaltung ist die Leuchtkraft der Vergoldungen und der Glanz der Blautöne zu verdanken. Aber mit Sicherheit war der ganze Tempio ursprünglich mit einem prunkvollen, vielfarbigen Innenraum geplant, mit Blau und Gold, dazu Rot und Grün und Weiß (die Farben der Malatesta), reich an gemalter Dekoration und glänzendem Goldschmuck.

Das Siegel der Malatesta ist bei allen Teilen des Bauwerks deutlich zu erkennen, in heraldischen Elementen, in Malatesta-inschriften und -Kürzeln ("SI").

Dieser Präsenz und dem Gepränge klassischer Formen und gelehrter Zitate verdankt das Gebäude seinen Ruf als "Hcidentempel", der von Plus II. aufgenommen und ausgebaut wurde, der auch diesen Bau zu den vielen - tatsächlichen und mutmaßlichen - Untaten Sigisniondos zählte.

In Wircklichkeit handelt es sich um einen ersten, neuartigen Versuch, einem christlichen Gebäude und plastischen Darstellungen traditionell christlichen Sinngehaltes klassische Formen zu verleihen.

Und tatsächlich waren auch die scheinbar profaneren Bildnisse, die die Schönheit und Vollkommenheit des Firmaments (Planeten und Tierkreiszeichen) und die Arbeit des Menschen (die freien Künste) darstellen, schon seit dem Hochmittelalter in Kirchen vorhanden, aber sicher waren sie niemals in so fantasicvollen Formen und gleichzeitig so voller Anklänge nn die Antike dargestellt worden.

Nach dem Sturz von Sigismondo Pandolfo Malatesla mussten die Franziskaner aus eigenen Kräften den Bau, dem noch das Dach, die Apsis und der Glockenturm fehlte, irgendwie zum Abschluss bringen.

Nach der Auflösung des Franziskanerordens und der Zerstörung der alten Kathedrale Santa Colomba auf Befehl Napoleons ging der Titel Kathedrale auf den Tempio Malatestiano über (1809).

Im zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude von zahlreichen Bomben getroffen, die es abdeckten und die Apsis, die Barockkapellen, die Sakristei und das alte Kirchengerät zerstörten, Balustraden und Altäre zertrümmerten, einige Flachreliefs und die Außenwandverkleidungen beschädigten.

Auch das neben dem Tempio liegende Franziskanerkloster, das damals zum großen Teil als Stadtmuseum diente, wurde zerstört. Der Wiederaufbau und die Restaurierungsarbeiten, die unter anderem durch einen beachtlichen Beitrag des "Amerikanischen Komitees für die Restaurierung der Monumente" möglich war, wurde 1950 mit der Neueinweihung abgeschlossen.

Im Hinblick auf das Jubeljahr - das mit dem 450. Jahrestag der offiziellen Grundsteinlegung des Baus und mil dem 50. seines Wiederaufbaus zusammenfällt - hat eine erneute Generalrestaurierung, die mit Unterstützung des Staats und der Stiftung der Sparkasse Rimini durchgeführt wurde, dem Tempio Malatestiano die einstige Würde zurückgegeben und eine teilweise Wiederherstellung der ursprünglichen Farbigkeit ermöglicht.