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Rimini Malatesti in Rimini

 

 

 

 

 

     
Rimini
  Route 3  
     
     

Der Tempio Malatestiano

Rimini
Tempio Malatestiano
via IV Novembre, 35
Tel. 0541 51130 (Sakristei)
0541439098 (Diözesan-Sekretariat)
www.diocesi.rimini.it
diocesi@diocesi.rimini.it
Es ist die Kathedrale der Diözese Rimini.

Geöffnet: werktags 8:00-
12:30/15:30-19:00; festtags
9:00-13:00/15:30-19:00

Zehn Jahre nachdem er an den Bau des Kastells Hand angelegt hatte, das er mit seinem eigenen Namen taufen wollte, begann Sigismondo, sich in der Kirche San Francesco, die von allen seinen Vorgängern als Grabstätte ausgewählt worden war, eine Familienkapelle bauen zu lassen.

Auch wenn es Giotto war, der diese Kirche Anfang des 14. Jhs. ausgeschmückt hatte, war sie von bescheidener Architektur (ein einziger Raum mit Satteldach und drei Apsis-Kapellen) und befand sich, wenngleich nahe der antiken Piazza "del Foro", dem römischen Zentrum der Stadt (gegenwärtig Piazza Tre Martin), in einer Randlage.

Die neue Kapelle hatte eine schlichte, absolut traditionelle Struktur, mit einem großen gotischen Bogen, der sich an der rechten Seite der Kirche öffnet, einem Kreuzgewölbe und hohen, schmalen Fenstern.

Sehr bald wurde ihr auf Wunsch der jungen Geliebten Sigismondos, Isotta degli Atti, eine gleichermaßen schlichte und traditionelle Kapelle zur Seite gestellt.

Vielleicht hat eine malatestianische Familienkapelle aus dem vorhergehenden lahrhundert an derselben Kirchenseite, nahe der Apsis, das Modell für alle beide abgegeben.

Die mehr als drei Jahre dauernden Mauerarbeiten mussten eine gravierende Erschütterung der Statik des alten Gebäudes mit sich bringen, und so entschied Sigismondo gegen 1450, es vollständig und auf seine eigenen Kosten umzubauen, womit er zugleich) auch.ein Gelübde erfüllte, das er während eines siegreichen Feldzuges - Toskana gegen Alfonso d'Aragona - abgelegt hatte; dies bestätigen die griechischen Epigraphen an den Seiten und die Widmungsinschrift der Fassade.

Hinsichtlich des (innen-)architektonischen Teils wurde die Baustelle Matteo de'Pasti anvertraut und hinsichtlich der Bildhauerei Agostino di Duccio. Ersterer war bei den Estensi in Ferrara angeworben worden; es handelte sich um einen veroneser Handschriftenmaler und Medaillenpräger aus der /Vsone/fo-Schule, also von spätgotischer Bildung.

Auch Agostino di Duccio bewahrte, obwohl er ein Schüler Donatellos gewesen war, in Venedig vertiefte, raffinierte gotische Kadenzen; er war Florentiner und kam aus Venedig, vielleicht mit einer Empfehlung der Estensi, denen er aufgrund von Arbeiten in Modena bekannt war.

Der Zusammenarbeit zwischen den beiden Künstlern und den Anregungen der Humanisten des Hofes verdankt sich das Innere des Gebäudes; pittoresk und prächtig, substantiell dem gotischen Geschmack des Hofes verbunden, was die Zurschaustellung von Prunk, Reichtum und raffinierter sowie elitärer Kultur angeht, woran die Preisung Sigismondos als Signore, Kondottiere und Mäzen großen Anteil hat.

Für die Außenarchitektur hingegen war Leon Battista Alberti zuständig, der gegen 1450 eine Marmorverkleidung neuester Konzeption ersann, völlig unabhängig davon, wie sich das Gebäude im Innenbereich gestaltete. Indem er jedweden gotischen Ausklang und jedwede dekorative Kadenz verbannte, wandte sich Alberti mit vollem Bewusstsein tatsächlich der antiken römischen Architektur zu, um erneut eine Konzeption von Architektur als erhabener Feier des Menschen und als Lobpreisung seines intellektuellen Adels aufzugreifen.

Leider blieb das Gebäude genau in dem, was sein originellster und bedeutsamster Teil sein sollte, der Apsis, unvollendet; sie war als runde Kuppel gedacht, die vielleicht die offensichtliche Dissonanz zwischen Außen und Innen gelöst oder wenigstens "geordnet" hätte.

Um eine Idee von Albertis Projekt zu bekommen, muss man eine von Matteo de' Pasti gegossene Medaille ansehen, die eine Vorderansicht des Gebäudes und die große Kuppel darstellt, wie sie am Ende des Schiffes aufragen sollte.

Die Intervention Albertis mit ihrer Neuvorstellung antiker Formen, selbst wenn diese neu ersonnen und auf moderne Bedeutungen hin ausgerichtet sind, rechtfertigt voll und ganz den Begriff Tempio, mit dem diese christliche (und franziskanische) Kirche seit dem fünfzehnten Jahrhundert benannt worden ist.

Die Innenausschmückung des Tompio schließt die traditionollen Freskenzyklen aus und ist hauptsächlich den eleganten Skulpturen Agostino di Duccios und den mit Polychromien und Vergoldungen angereicherten Marmorverkleidungen anvertraut.

Das einzige Fresko mit Figuren befindet sich momentan in der letzten Kapelle rechts; es stellt Sigismondo Pandolfo Malatesta kniend vor San Sigismondo König von Burgund dar und ist ein Werk Piero della Francescos, der es unterzeichnet und datiert hat (1451).

Auf den ersten Blick mag es als eine absolut traditionelle Andachtsszene mit dem Signore vor seinem Schutzheiligen erscheinen. In Wahrheit ist die Interpretation Pieros aber völlig neu: in den Inhalten, wegen der absolut freien, natürlichen, "laizistischen" Beziehung, welche die Figuren verbindet, die in ein ruhiges Licht und einen Raum von rationaler Konstruktion eingetaucht sind; in den Formen, die schlicht, regelmäßig und harmonisch sind, in der Lage - wie niemals zuvor - die Humanität und Würde der Persönlichkeiten, ihren intellektuellen Adel und ihre körperliche Schönheit zu lobpreisen, und außerdem in der Lage, die göttliche und die irdische Macht kraft einer Konzeption der dem heiligen König und dem andächtigen Auftraggeber gemeinen Würde und Rationalität anzuerkennen.

Mit der makellosen albertianischen Verkleidung des Tempio war noch nicht begonnen worden, als Piero delta France«« dieses FresKo unterzeichnete, das also für Rimini und die Romagna das erste Manifest der "wahren" Renaissance darstellte: ein Manifest, das, während es den Fürsten pries, die nur an äußerem Prunk interessierten Künstler demütigte; das die Gelehrten einlud, bei ihren trockenen Nachforschungen eine Spirale der Humanität zu öffnen; das eine utopistische Zukunft ankündigte, die durch die Vernunft bestimmt und mit der Poesie erquickt werden würde.

Wahrscheinlich interessierten die zauberhafte Stille und die wohl durchdachten Pausen des Stils von Piero della Francesco am rimineser Hof nicht sonderlich, vielleicht auch die Vorahnung neuer Zeiten nicht, die dieser Stil beinhaltete.

Zu den Damen, den Pagen, den Edelmännern, den Musikern, den improvisierenden Verseschmieden, die während der häufigen Abwesenheiten Sigismondos dem Leben im Kastell und in den malate-stianischen Palästen einen vergnüglichen und lebhaften Ton verliehen, passten die gotische Phantasie und der traditionelle Prunk sehr viel besser, wie sie dort triumphieren im Skulpturenschmuck der Tempio-Kapellen, mit Parade-Schilden und aufgehängten Kränzen, von den Tragbalken herabhängenden Girlanden und Stoffen und heiter auf die Grabmale gemalten "Pannaroni": einer Art "ephemeren" Dekors, der wie plötzlich fossilisiert oder magisch versteinert erscheint.

In diesem Ambiente erreichen die hochfeinen Basreliefs von Aqostino di Duccio äußerste Preziosität und Eleganz. Herzige Putten scherzen und haschen einander; Engelkinder singen und spielen melodiöse Lieder; Virtü und Sibille bewegen sich heftig, um ihre Symbole und eleganten Drapierungen zu zeigen; Apollo und die Musen, die Planeten und die Konstellationen bilden eine pittoreske Gesellschaft in unglaublichen exotischen Kostümen (außer Venus, die nackt ist und im Taubenflug übers Meer triumphiert).

Alles lässt sich in den Termini der traditionellen Religion erklären, auch die seltsamen Zeichen der Planeten und des Tierkreises, die nicht hier sind, um verstiegene Horoskope zu erstellen, sondern ganz einfach, um die Perfektion des von Gott geschaffenen Firmaments zu lobpreisen.

Aber es genügt nur ein klein wenig Bosheit und Feindseligkeit, um überall Heidentum und Irreligiosität zu erspähen. So bekräftigte Plus II, ein verschworener Feind Sigismondos, dass jene Kirche voller heidnischer Götter und profaner Dinge sei, und er führte sie zulasten des rimineser Signore ins Feld. Obwohl der doch in den griechischen Epigraphen an den Außenseiten mit Klarheit erläutert hatte, dass sie "dem unsterblichen Gott und der Stadt" gewidmet sei, wegen überwundener Gefahren und der Siege im "italischen Krieg"; und in der schönen klassischen Inschrift der Fassade hatte er bekräftigt, sie sei "infolge eines Gelübdes" erbaut worden.

Der Bau führte zu sehr großen Ausgaben, und es fällt schwer zu denken, dass Sigismondo sie aus reiner Religiosität oder Mäzenatentum ohne andere Interessen im Hintergrund habe tätigen wollen. Andererseits war Mäzenatentum niemals "desinteressiert" gewesen; im 15. Jh. war es wesentlicher Bestandteil der Regierungsweise: es bezweckte einerseits die Erhöhung des Konsenses der Untergebenen und der Institutionen, das Anwachsen des eigenen Prestiges innerhalb und außerhalb des Staates, und dass man von den anderen Höfen in Betracht gezogen (und möglicherweise beneidet) wurde; andererseits aber auch die Kreation der Voraussetzungen, um von den Nachfahren bewundernd erinnert zu werden.

Die Unsterblichkeit, welche die Signori und die Humanisten des fünfzehnten Jahrhunderts anstrebten, war ein unvergänglicher Ruf in den Geschicken der Menschen, das heißt in der Geschichte, nicht in der sich verflüchtigenden Ewigkeit des Göttlichen.

Am Tempio Malatestiano arbeitete man rege bis gegen 1460, als die Feindseligkeit von Plus II gegen Sigismondo, den ebenso tapferen Kondottiere wie sehr schlechten Politiker, zunahm.

1461 war das Jahr der ökonomischen Schwierigkeiten und der päpstliche Exkommunikation, dann kamen die Niederlage und die Verkleinerung des Staates (1463); und so blieb das große Bauvorhaben für immer unterbrochen. Auch heute noch offenbart seine Unvollendetheit, die sowohl außen wie innen gut erkennbar ist, der Welt das Missgeschick Sigismondos und bekundet die substanzielle Zerbrechlichkeit seiner Macht, die Unhaltbarkeit seiner eitlen Ruhmesträume.

Als ein Traum nämlich kann dieser lemjjio angesehen werden, ein unterbrochener Traum: für Sigismondo, der daraus einen wunderschönen Tempel zum Ruhme Gottes und der Stadt machen wollte, aber vor allem etwas, das den eigenen Namen und die eigene Dynastie unsterblich mache; für Leon Battista Alberti, der daraus ein Monument der Lobpreisung des intellektuellen Adels des Menschen machen wollte; für den Humanismus, der meinte, man könne die dramatischen Widersprüche der Zeit hinter einem Vorhang intelligenter kultureller Wiederaneignungen und raffinierter Kunstwerke verbergen.