Seen in Oberitalien
COMER SEE
Der Corner See, der einst Lario genannt wurde, hat eine charakteristische ausgestreckte Form, eine Art gestürztes Y, das die drei Arme formt: den westlichen Arm, der Lago di Como genannt wird, den östlichen Arm, oder Lago di Lecco und den nördlichen Arm, den Lago di Colico.
Der Larius war bereits in prähistorischer Zeit bevölkert, und er ist immer ein wichtiger strategischer Verbindungsweg unter den Ländern nördlich der Alpen und der Poebene gewesen.
Nach den Galliern siedelten sich hier die Römer an, die die glückliche geographische Lage ausnutzten und die Straße, die den Larius mit Rätien verband, dem Westufer entlang bauten. Da sich der See in dieser glücklichen Lage befand - von hier reichte man die Alpenpässe Maloja und Splugen -, war er immer Herrschaften und Invasionen aller Art unterworfen.
Nach der Frankenherrschaft eroberte die Stadt Como ihre Autonomie um das Jahr 1000, aber sie erlebte nachher die Regierung der Visconti und der Sforza, die entschieden, das Flussbett der Adda zu erweitern, um eine Verbindung auf dem Wasserweg mit dem Herzogtum Mailand zu schaffen.
Aus diesem Grund eröffneten sie den Hafen von Paderno. Dann folgten die Zeiten der Fremdherrschaften: die Spanier, die Österreicher, die Franzosen und besonders die Habsburger setzten sich ein, um all die Möglichkeiten auszunutzen, die der See bot: Sie verstanden die Wichtigkeit der Seestraße, und denjenigen, die die Dampfschiffahrt förderten, billigten sie viele Priviliegien und Steuerbefreiungen zu.
Am 29. Juli 1826 wurde der „Lario", der von Como nach Domaso in nur fünf Stunden führte, vom Stapel laufen gelassen, während die damaligen Ruder- oder Segelboote mindestens zwölf Stunden brauchten.
Der „Plinio" sicherte die Schiffart von Lecco nach Domaso. Heute sind die Verlegungen und besonders die Wanderungen der Touristen dank einer großen Vielfalt von Wasserfahrzeugen (Booten, Fähren, Motorbooten, Tragflügelbooten) bequem und stimmungsvoll. Die Landschaften des Sees sind eindrucksvoll und einzigartig: Die wunderbaren Villen an den Ufern und die üppige Vegetation bieten bezaubernde Szenen von Armonie und Perfektion.
Der Larius — „all Buchten und Golfe", wie Manzoni schrieb —, teilt ein Gefühl von Zauber und Erstaunen mit: die Konturen der Villen, die sich im Wasser spiegeln, die kleinen Buchten mit ihren Häfen, die emporragenden Glockentürme, die duftenden Blumengärten und im Hintergrund die hohen Gipfel der Berge, die den See einschliessen.
Am See finden wir nicht nur die Schönheit der Natur oder der Landschaft. Auf sich lenken die herrschaftlichen Häuser der lombardischen Adligen aus dem 18. und 19. Jahrhundert, die Abteien, die Fresken aus dem 17. Jahrhundert aufbewahren, die mittelalterlichen Klöster und Kirchen, die klassizistischen und Jugendstilgebäude nicht nur die Aufmerksamkeit der Verherer, sondern auch den Anblick der berühmtesten Regisseuren, die diese Orte als magische Bühnenausstattungen gewählt haben.
George Lucas hat einen Teil seines Films „Krieg der Sterne" in der bezaubernden Villa Balbianello gedreht, die Silvio Pellico als „fantastisch, poetisch und magisch" beschrieben hat, und die berühmte Persönlichkeiten, wie Cavour, Berchet, Giusti und Manzoni beherbergt hat.
Der Larius ist auch das Ziel vieler Segler: Die wechselnden Windverhältinisse verwandeln den See in ein optimales Übungsterrain. Am See befinden sich zahlreiche Clubs und Segelschulen, und in der Sommersaison finden verschiedene Segelregatten — sogar internationalen Niveaus — statt.
Schließlich ist der Larius auch eine wertvolle Naturressource: Nicht weit von Gravedona befindet sich der Pian di Spagna, der so genannt wird, weil sich hispanische Truppen zwischen dem 17. und dem 18. Jahrhundert dort ansiedelten.
Heute ist dieser Ort ein wichtiges internationales Naturschutzgebiet. Von dem WWF und der Legambiente gewollt, ist es der Habitat von Hunderten Tierarten, die vom Aussterben bedroht sind, sowie die optimale Zuflucht für viele Flügelarten, die — wie Flaubert — nicht woanders leben wollten!
Mit einer Gesamtoberfläche von 146 km2 ist der Corner See nach dem Gardasee und dem Lago Maggiore der drittgrößte See Italiens. Seine Gesamtuferlänge (etwa 160 km) ist dennoch die größte, sowie seine Tiefe. Die tiefste Stelle — zwischen Argegno und Nesso — mißt nähmlich 410 m. Wie viele italienische Voralpenseen, ist der Corner See in der Eiszeit entstanden: Im Quartär war das Ganze Becken mit einem großen Gletscher bedeckt, der bis in die Brianza reichte, wo er die heutigen Moränenhügel hinterlassen hat.
Der See besitzt 37 Zuflüsse, die wichtigsten sind die Adda, die von der Valtellina fließt und nachher bei Lecco ausfließt, und die Mera, die von der Valchiavenna fließt. Die Adda ist auch der einzige Ausfluß; sie verläßt den See bei Lecco, und nachdem sie die kleinen Seen von Garlate und Olginate gebildet hat, fließt sie Richtung Po weiter.
Der Larius ist von majestätischen Bergen eingeschlossen, die höchste Erhebung ist der Monte Legnone, oberhalb von Colico, der 2609 m mißt. Eine besondere Beachtung verdienen die Gruppe der Grigne wegen der Schönheit und der Formen der Felsen und der Resegone, der 1875 m mißt und den stimmungsvollen östlichen Hintergrund von Lecco bildet.
Und auch der Monte San Primo, der mit großen sonnigen Kastanienwäldern bedeckt ist, die 1818 von Shelley verewigt wurden, bietet viele verschiedene bezaubernde Landschaften, die Sie während ruhiger Spaziergänge in den Wäldern oder während anstrengender Trekkings auf den Bergen entdecken werden.
Die einzige Insel des Sees ist die Isola Comacina, auch Isola di San Giovanni genannt, die der Mailänder Kunstakademie gehört und für die Reste religiöser Gebäude, die auf vorher bestehenden römischen Bauen gebaut wurden, sowie für den gut erhaltenen Oratorio di San Giovanni berühmt ist.
Der Larius ist ein besonders glückliches Gebiet: Er hat ein ungewöhnlich mildes Klima, das durch die Alpenkette, die die Nordwinde abschirmt, verursacht wird. All das ruft eine außerordentlich üppige Vegetation hervor.
In der Tremezzina, die eine der sonnigeren Orte ist, findet man typisch mediterrane Pflanzen, wie Olivenbäume, Lorbeerbäume, Kamelien, Azaleen, Rhododendren, Magnolien, Myrten, Feigenbäume und sogar Palmen. Eine der typischen Merkmale des Corner Sees ist der bezaubernde Abwechslungsreichtum der Landschaften, die ein friedliches Zusammensein von verschiedenen wandelbaren Szenerien widerspiegelt.
Diese Szenerien, die einst Dichter, Schriftsteller und Musiker viel liebten, spiegeln sich im grünen bewegten Wasser des Larius wieder. Stendhal war von den „sublimen und graziösen Aspekten dieses Sees", von der „Strenge des Lago di Lecco und der Sinnlichkeit des Lago di Como" verzaubert.
Auch Silvio Pellico erfaßte den gleichen Kontrast zwischen den beiden Armen des Sees, und 1819 schrieb er in einem Brief: „Der eine glücklich und voll Häuser... der andere traurig und einsam wie meine Seele". Flaubert erhebte sogar den Larius zu shakespearischer Landschaft, wo all die Gefühle der Natur geeinigt sind und „das Große überwiegt".
Die Vereinigung dieses berühmten Zusammenseins ist also bezaubernd und, um die Worte Flauberts nochmals zu benutzen, „ein Anblick, der zum Vergnügen der Augen gemacht wurde".
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