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Historie von Siena

 

 

 

 

 

Siena: Geschichte und Identität

NACH DER LEGENDE GRÜNDETEN SENIUS UND ASKIUS AM ENDE EINES LANGEN, MYTHOLOGISCHEN „PALIO ALLA LUNGA", D.H. EINEM PFERDERENNEN AUF LANGE DISTANZ, DIE STADT SIENA UND DIE FARBEN IHRER PFERDE, EINES WEISS UND EINES SCHWARZ, FORMTEN WIE DIE RAUCHWOLKEN, VON DEN ALTÄREN DES ERSTEN DANKOPFERS AUFSTIEGEN, DIE WEISSE UND SCHWARZE BALZANA, DIE FARBEN DER STADT SIENA UND ZUGLEICH EIN SYMBOL FÜR DEN EXTREMEN CHARAKTER DIESER STADT.

EINE STADT, IN DER DER MENSCH ALS MASS GILT.

Jede Stadt weist die Zeichen seiner eigenen Geschichte auf. In Siena sind jedoch diese Zeichen tief greifender und unauslöschlicher sowie auch die Beständigkeit ausgeprägter, mit der sie hartnäckiger verfolgt wird als an anderen Orten.

Die Geschichte Sienas ist ziemlich lange. Die Hypothese einer Gründung Sienas durch die Etrusker wird durch immer interessantere archäologische Funde untermauert.

In den Jahrhunderten hat sich aber die schöne mittelalterliche Legende, nach der der Gründer Sienas Senius, der Sohn von Remus der aus Rom zusammen mit seinem Bruder Askius zu Pferd fluchtete, immer mehr durchgesetzt.

Die beiden Brüder brachten ein Standbild der römischen Wölfin mit, die später auch zum Symbol Sienas wurde und wurden von den Reitern Romolus' durch das gesamte Gebiet des Latium und der südlichen Toskana bis zu jenem schicksalhaften Hügel namens Siena Vecchia verfolgt.

Senius und Askius gründeten also Siena am Ende eines langen, mythologischen „Palio alla Lunga"

Von Rom erhielten die Einwohner von Siena Julia das römische Bürgerrecht bereits vor Kaiser Auguslus und nicht lange darauf begann die Christianisierung durch den Hl. Ansanus, einem legendären, frühen Märtyrer.

Sein Geburtstag am ersten Dezember ist heute noch der Jahreesanfang in den Contraden.

Siena war Bischofssitz, dann unter den langobafdischen Burgvögten, wurde schließlich zur Grafschaft unter karolingischer Herrschaft und danach freie Stadtkommune.

Ab dem 12. jh. hatte man das Münzrecht und man begann damit, den unzuverlässigen, turbulenten Adel des Hinterlandes zu unterwerfen, dem dann zur Auflage gemacht wurde, in der Stadt Paläste zu errichten und hier auch den größten feil des Jahres zu wohnen.

In dieser Zeit bildet sich der sog. „hohe Stadtadel" heraus, das Patriziat der großen Kaufmannsfamilien, wie T.B. die der Buonsignori. der Salimbeni, der Tolcinei, der Piccolomini, die dann die Oberherrschaft stellten.

Diese großen Familien, an die die sechs Ritter erinnern, die den Carroccio (Triumphwagen) des Patio-Rennen begleiten, legten den Grundstein für die große Zeit Sienas auf dem Gebiet der Finanz, der Politik und der Kultur.

Jene Zeit also, die in den darauf folgenden Epochen in wehmütiger Erinnerung manchmal bis zum hochgespielt wurde, sollte zu seinem goldenen Zeitalter werden.

Für fast ein Jahrhundert, zwischen dem 13. und 11. Jh. erlebte Siena die große Geschichte Europas als Protagonist. Die Elite seiner Kaufleute gab auf den großen Märkten der Champagne den Ton an, die Bankiers eröffneten Filialen in London und Paris, nahmen im Namen des Kaisers die Steuern ein, sowie im Namen des Papstes den Zehnten und die Kirchensteuern, sie gewährten Darlehen, sie führten den Geldwechsel durch, sie transferierten enorme Summen, sie gaben Wechsel und Warenscheine aus.

Die Gran Tavola der Buonsignori, eine Bankiersfamilie, die man auch die Rothschild des 13. Jahrhunderts" nennt, war Ende des 14. jh. das blühendste Banken-Konsortium Europas.

Die Bankiersfamilie der Salimbeni zählte zu ihren Schuldnern den Hof von Aragomen, den König von England, Karl von Anjou und die päpstliche Kurie.

Sieneser Bankiers spekulierten wie diejenigen unserer Tage auf ein Ansteigen der ausländischen Devisenkurse, auf die Preise der Edelmetalle, des Getreides, der landwirtschaftlichen Erzeugnisse und der Gewürze.

Die Sieneser Universität, die erst vor kurzem die 750. Jahrfeier hatte, hielt ihren Einzug im europäischen Kulturpanorama mit ihren berühmten Fakultäten Jura, Medizin und Naturphilosophie Seite an Seite mit Padua, Gulogna, Pavia und Paris.

Von 1260, dem Jahr des großen Sieges bei Moutaperti bis 1269, dem Jahr der Niederlage von Colle, stand Siena an der Spitze der mächtigen ghibellinischen Liga in der Toskana. Im Jahre 1303 kaufte die Stadt den Hafen Talamone und investierte dort bis 1340 enorme Summen an öffentlichen und privaten Geldern.

In dieser Zeit nahm die Stadt ihr endgültiges Aussehen als die Hauptstadt der Gotik an. Gegen Ende des 13. Jh. nahm man das gewaltige Projekt in Angriff, die reichste und imposanteste Kathedrale dei Christenheit zu errichten.

Ohne Unterbrechung arbeitete man daran bis 1348. Die Überreste jenes dann aufgegebene Projektes legen heute noch Zeugnis von dem grenzenlosen Elan, den Ambitionen und dem Willen nach dem Absoluten in jenen Jahren ab.

Im Jahre 1295 begann man mit dem Bau des Rathauses, das 1340 fertig gestellt ist. Es ist das älteste Rathaus Italiens, das bis heute ununterbrochen in seine ursprünglichen Funktion benutzt wird.

Ihm zur Seite steht der Torre del Mangia (Rathausturm), 102 m hoch, der 1348 fertig gestellt als ein Wunder der Baukunst galt.

Im darauf folgenden Jahr beendete man die Pflasterung der Piazza del Campe. Der berühmte Architekt Giovanni Michelucci meinte dazu, „Dass es sich hier um einen unentbehrlichen Raum zur Vervollständigung des eigenen Hauses" handelt.

Das Santa Maria Bella Scala dehnte seine Besitzungen bis ins Zentrum des heutigen Grosseto aus.

Die Regierungsform „il Monte dei Nove- (an die vielleicht die Einteilung in neun Segmente der Piazza del Campe erinnert) schien die Quintessenz einer Guten Regierung zu sein, so wie sie Ambrogio Lorenzetti in seiner Allegorie im Rathaus von 1337 bis 1339 gemalt hat.

Auf dem Gebiet der schönen Künste, vor allem aber in der Malerei und der Bildhauerei, riefen die die sieneser Meister eine wenn auch kurze doch sehr intensive künstlerische Epoche ins Leben, die der großen toskanischen Renaissance vorausging, sie bis zu einem gewissen Grade vorbereitete und den Samen für ihre Verbreitung über ganz Europa legte.

Auch als die großen Meister und die große Kunst andernorts zu finden waren, so verblieb in Siena eine äußerst lebendige Tradition der sog. niederen Künste, wie z.B. die Goldschmiedekunst, die Keramik, die Silberschmiedekunst, das Schmiedeeisen, welche schließlich der Sozialgeschichte Form und Ästhetik beim Alltäglichen vererbten (man denke hierbei nur an die Bücher der Bitthema, den Rechnungsbüchern mit von großen Malern bemalten Buchdeckeln), Zeichen für eine Ars gubernandi (die Kunst des Regierens), nach der nicht nur unter dem Vorbild des Gerechten und des Nützlichen, sondern auch des Schönen und des Guten regiert werden soll.

 

Dieses Siena Felix zelebrierte jedes Jahr sein nationales Fest zu Ehren „Unserer lieben Frau im August", der in den Himmel aufgefahrenen Muttergottes, Himmelskönigin, Schutzpatronin Sienas und seines Staates, und von den Sienesen zu ihrer Feudaldienerrin erkoren.

Ihr hat sich die Stadt immer wieder einhellig anvertraut, auch wenn man im Laufe der Jahrhunderte stets eine stark ausgeprägte, weltliche Seite beibehielt.

In den Augenblicken höchster Not übergab man Ihr die Schlüssel der Stadt, vom Vorabend der Schlacht bei Montaperti 1260 bis zum Durchzug der Front von 1944.

Zum Fest Mariae Himmelfahrt wird Siena zur „offenen Stadt"  Verhaftungen wurden ausgesetzt, Exilanten konnten zurückkehren und sich frei in der Stadt bewegen, Hausrat und Vieh wurden auf dem großen Markt in großer Zahl angeboten.

Die Straßen verwandelten sich in ein gutes, vielfarbiges Kaleidoskop. Die Stadt schmückte sich mit Gobelins und Fahnen, Girlanden und allerlei Dekorationen.

Des Nachts organisierte die Stadt Freudenfeuer im Umland und Feuerwerke in der Stadt. Der Höhepunkt der Festlichkeiten im August war jedoch die Spendenzeremonie der Wachskerzen und der Steuern in der Kathedrale, ein gleichsam religiöser wie politischer Ritus, ein Akt der Erneuerung der Ergebenheit gegenüber der Madonna sowie auch der Erneuerung der Loyalität der Sienesen gegenüber ihrem Staat.

Dieser kollektive Schwur hatte sein präzises Ritual. In einem Pergament des Jahres 1200 ist es beschrieben, wobei auf Frühere, heute leider verloren gegangene Statuten verwiesen.

Das Ausmaß der Kerzenspende variierte je nach der Bedeutung des Spenders. Alle Bürger der Stadt mussten sich jedoch daran beteiligen sowie auch die öffentlichen Institutionen Sienas und seines Staates.

Allen voran die Stadt, die in der Gestalt ihrer Honoratioren eine große bemalte Wachskerze feierlich in der Kathedrale spendete.

Die Zeremonie wurde Jahr für Jahr, Jahrhundert um Jahrhundert, bis in unsere Tage wiederholt.

Auch heute noch geht am 11. August zur Prozession der Kerzen und Steuern der Bürgermeister von Siena in die Kathedrale und entzündet die große Votiv-Kerze. Das Kerzenwachs, das die Arbeiter unter den gewaltigen des Domes, genauso mit Sternen übersäht wie der Mantel der Madonna, aufstapelten, erreichte das unglaubliche Gewicht von dreißigtausend Pfund.

Später wurden dann die Kerzen auf alle Kirchen und Pfarreien des Bistums verteilt. Nach den großen Banketten des Vorabends und offentlichen Zeremonien ritten Adelige und Stadthonoratioren auf ihren eigenen Pferden einen „Patio alla lunga", d.h. durch die Straßen der Stadt bis zum Vorplatz der Kathedrale.

Der Siegespreis wlar ein Stück wertvollen Stoffes, manchmal sogar mit Fellen gefüttert. Mit dem Ende des goldenen Zeitafters und dem Verlust der Unabhängigkeit 1559 nach einem denkwürdigen Krieg gegen die Familie der Medici und dem damaligen Herrn der Welt, Karl V, verlor Siena seinen Staat und wurde in die subalterne Rolle einer der kleinen Städte der Toskana gezwungen, und das vor allem unter der Herrschaft der ewigen Rivalin Florenz, Hauptstadt des Großherzogtums der Toskana.

Der Patio wurde zum Angedenken an die vergangene Größe der Stadt, die Contraden wurden zu den Verwahrern der kollektiven Identität und des Sinnes für Unabhängigkeit der Sienesen.

Die Bank Monte dei Paschi, gegründet 1472, sollte alleine die große Tradition der Vorherrschaft der Republik auf dem Gebiet der Finanz und des Bankwesens fortführen.

Die Medici entsandten nach Siena einen Gouverneur, fast immer ein Mitglied der regierenden Familie, der dann im Gouverneurspalast, in dem heute die Provinzialregierung untergebracht ist, seinen Wohnsitz nahm und hier einen kleinen Hofstaat unterhielt, der zum Mittelpunkt des kulturellen Lebens der Stadt in den darauf folgenden Jahrhunderten zusammen mit der Universität, dem Collegio Tolomei, den Akademien und einigen literarischen Kreisen wie jenem von Quirina Mocenni, der von Foscolo geliebten „Edlen Dame" werden sollte.

Unter der Gouverneuren der Ära der Medici liebten die Sienesen besonders den Prinzen Mattias, einem begeisterten Pferde- und Palioliebhaber, und Violante aus Bayern, die 1729 die Grenzen der Stadtteile mit einem Gesetz festlegen ließ, welche noch heute gelten.

Der Prozess dauerte unter den Lothringern weiter an. Peter Leopold, der mit seinen Reformen die Toskana resolut in die neue Zeit katapultierte, schuf die Biccliernd und die Salia, die altern öffentlichen Verwaltungsämter Sienas ab, respektierte jedoch die Contraden und den eifersüchtigen Bürgersinn der Sienesen  „einem guten und ehrlichen Volk".

Der Großherzog ließ den „Discorso sopra la Maremma di Sierra' von Sallustio Bandini drucken, einem Vorreiter der leopoldinischen Reformen mit seinen Ideen bezüglich des Handels mitlandwirtschaftlichen Produkten sowie bezüglich eines neuen Steuersystems.

Auf poetische weise schrieb Cesare Brandi: „Der alte Stamm überlebte, junge Schösslinge vertrockneten, die Stadt vertraute sich dem 19. Jh. wie aus einem Block Bergkristall geschnitten an."

Das hinderte sie jedoch nicht daran, in vorderster Linie bei den Ereignissen des Risorgimento dabei zu sein. Im Mai 1848 bildeten 55 Studenten, 4 Dozenten und der Kanzler der Universität zusammen mit den Pisanern jenes toskanische Bataillon, das bei Curtatone für lange Zeit die Soldaten Radetzkys in Schach hielt.

Die Stadt verzichtete sogar auf den Palio und übergab den Familien der Freiwilligen die 420 Lire des Siegespreises.

Am Palazzo Spannocchi erinnert eine Gedenktafel an die „Verschwörer-Contraden" Gans, Drache und Wald.

Gegen Ende des letzten Jahrhunderts bereitete Siena Garibaldi und Umberto und Margherita von Savoyen einen begeisterten Empfang.

Die Stadt begann wieder zu wachsen. Gegen Mitte des 19. Jahrhunderts war auch die Eisenbahnlinie nach Empoli gebaut worden und im Jahre 1883 wurden die Vereinten Spitäler des Santa Maria Bella Scala zur ersten Universitäts-Poliklinik Italiens.

Die Bürger Sienas gründeten eine Vielzahl an Gesellschaften zur Bildung und zur gegenseitigen Hilfeleistung. Die Volkshochschule sichert auch heute noch ihre Funktion der Volksbildung. Es wurden auch die Contraden-Vereine ins Leben gerufen, der weltliche Arm jener nicht zu ersetzenden Institutionen, der es ihnen ermöglichte, auch unter den neuen Vereinsbestimmungen der Gegenwart zu bestehen.

Das 20. Jahrhundert, das mit der großen Ausstellung Antiker Sieneser Kunst 1904 begann, welche dem Image Sienas in der Welt neuen Glanz verlieh, brachte vor allem die Gründung der prestigereichen Chigiana Musik-Akademie, eine der hervorragenden Institutionen im Bereich der Musikwelt.

Weiterhin sollte man auch an die Gründung 1917 der Scuola per Stranieri, der Sprachschule für Ausländer, die seit 1992 Universitäts-Status hat, erinnern. Sie ist gleichsam ein Fenster zum Rest der Welt und ein Bezugspunkt in dieser Stadt für viele seiner Freunde und Ehrenbürger in den fünf Kontinenten.

Zu ihnen gehörte auch General de Monsabert, Kommandeur der alliierten Truppen, die am 3. Juli 1944 in Siena einmarschierten. Dem Oberst, der ihn fragte, wohin die Artillerie auf die Stadt schießen sollte, antwortete er: „Arrangiert euch, schießt wohin ihr wollt, aber ich verbiete euch, über das 18. Jahrhundert hinauszuschießen,"

Das neue Jahrtausend hat damit begonnen, dass man versucht, sich an die neuen Zeiten anzupassen ohne auf die außerordentliche Vergangenheit zu verzichten.

Die Stadt gehört zu den ersten in Italien, die schon verkabelt sind, man hat größte Anstrengungen unternommen, um alle möglichen architektonischen Barrieren zu beseitigen trotz der noch intakten, mittelalterlichen Struktur.

Das historische Stadtzentrum ist eine verkelirsberuhigte Zone, während man auch keine Anstrengungen scheut, um es mit der Peripherie zu verbinden.

Weiterhin versucht man, die Stadt an das nationale Strassen - und Eisenbahnnetz anzuschließen, ohne sie einem unkontrollierbaren Veikehisaufkommen oder dem Massentourismus auszusetzen.

Es wurde ein Museum für Kinder eröffnet, das alte Hospiz Santa Maria Bella Scala stellt sich als Zitadelle der Kultur vor, mit einem Blick auf Zeitgenössisches und Zukünftiges in der Museographie und der Restaurierung.

Mit dem Palazzo delle Popesse kam Siena in den Kreis der postmodernen Kunst. Es gelten immer noch die Überlegungen von Mario Bracci, dem sieneser Rektor der Universität, der 1944 über Siena schrieb: „Sein spiritueller Reichtum, der in seinen Palästen, in seinen Museen und auch in seinen Bürgern lebt, ist von nationaler, vielleicht sogar europäischer Bedeutung.

Seit Jahren ist Siena bei den Statistiken unter den ersten Plätzen der Städte zu finden, in denen es sich am besten lebt und die Wahl-Sienesen sind immer zahlreicher.

Siena will wahrscheinlich auf poetische Weise mit Hilfe von Umschreibungen erklärt weiden. Henry James „Man spürt die Erfahrung von Jahrhunderten fast so, als sei diese in einer alles durchdringenden Mischung gelöst worden.

Die Stadt verglichen mit dem Hals einer Amphore, einer Speerspitze, einem zum Auslaufen bereiten Schiff, einer Hand, die schützend über drei Hügel gebreitet einem etruskischer Dreifuß, einem bis zum Äußersten gespannten Bogen.

Und Piazza del Campo ist eine Sonnenuhr, der Nabel der Stadt, ein Alutteileib, eine Muschel, ein Becken, der ausgebreitete Mantel der Muttergottes, eine Seifenblase, ein angehauchtes Stück Perlmutt.

Dann der Dom: er erscheint als Galeone und seine Fassade als ein ganzer Wald an Symbolen. Jenseits aller poetischer Umschreibungen kann ein Besucher, der es nicht eilig hat, in Siena besser als anderswo über das Konzept einer organischen Urbanistik nachdenken, oder aber Ordnung und Entropie, über Konservierung und Erneuerung, über öffentlichem und Privatem, Geistlichem und weltlichenn, Religion und Magie, Stadt und Land, Wirtschaft und Bankwesen.

Siena bietet wichtige Beispiele oder faszinierende „case studies` über all das.

Wenn also Reisen nicht eine allzu leicht genommene Flucht, möglichst weit weg in Raum und Zeit, bedeuten soll, sondern die schwierige Suche nach dem genius loci und dadurch nach dem Sinn des Lebens, dann wird diese Stadt tatsächlich zu einem der Orte, die man aufsuchen soll, denn sie kann uns, wie der Poet Mann Luzi schrieb „zusammen mehr Realität und Traum, ohne Unterschiede, bieten„.

So war es auch für einen anderen, besonderen Besucher, den Nobelpreisträger Albert Camus, der in ganz jungen Jahren nach Siena kam und später in seinen Notizen schrieb: „ ..vor allen Dingen möchte ich noch einmal die Straße von Monte San Savino nach Siena zu Fuß, mit dem Rucksack über der Schulter durchstreifen, durch dieses Land mit Trauben und Oliven, dessen Duft ich noch in der Nase spüre, über jene Hügel aus bläulichem Tuffgestein, die sich bis zum Horizont ausdehnen, und dann noch einmal Siena im Abendrot mit seinen Minaretten wie ein perfektioniertes Konstantinopel vor mir auftauchen sehen, in der Nacht ankommen, ohne Geld und allein, schlafen bei einem Brunnen und morgens als Erster auf der Pidzza del Campo sein, einem Platz in der Form einer Palme oder einer Hand, die das bietet, der Mensch nach dem alten Griechenland an Großem hervorgebracht hat."

Und das ist auch der Grund warum die UNESCO 1995 das historische Stadtzentrum von Siena zum Weltkulturerbe erklärte.