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Vicenza Allgemeines zu Vicenza

 

 

 

 

 


DIE STADT DES PALLADIO
Von Verona hat man kaum 50 Kilometer nach Vicenza. Man fährt durch eine anmutige Landschaft, sieht die Monti Lessini und Berici, kommt an einigen vulkanischen Kegeln, an den Marktflecken Soave, Lonigo und dem durch den Sieg Napoleons berühmten Arcole vorbei und landet bereits in der sehr alten, sehr fröhlichen und sehr hübschen Stadt Vicenza.

Bei den Römern hiess sie Vicetia; sie wurde später von verschiedenen Familien beherrscht, darunter den Scaliger und den Carrara, und darauf wollen wir ihre mit andern Kleinstädten völlig gleichlaufende Geschichte beschränken.

Heute ist Vicenza eine Stadt von 43.000 Einwohnern mit einem schönen Corso Umberto und dieser Corso zeigt eine Reihe von Edelpalästen, die teils Palladio, teils Scamozzi baute (von dem auch die Neuen Prokurazien in Venedig sind).

Diese eleganten Familiensitze der Bonin, Pagello, Clementi, Thiene, Bru-nello, Lampertico führen in gerader Reihe zum Dom, einem gotischen Bau aus dem 12. Jahrhundert.

Aber der Mittelpunkt unseres Interesses ist die Piazza dei Signori: hier strahlt der Geist jenes Andrea di Pietro, dem sein Mitbürger, der Poet Gian Giorgio Trissino in Anspielung auf die Weisheit der Pallas Athene den Beinamen Palladio verlieh.

Vicenza hat noch andre Künstler hervorgebracht, Maler wie Bar-tolomeo Montagna und Buon-consiglio, einen Forscher wie Pigafetta, der Magelhaes auf seiner Fahrt begleitete, einen modernen Romanschriftsteller wie Fogazzaro. Aber der Mann, der an ihrem Schmuck wie an dem einer Geliebten bis zu seinem Tod (1580) arbeitete, Palladio, verknüpfte seinen Namen für immer mit der Stadt und seither heisst sie eben die Stadt des Palladio.

Dieser Künstler hat viel gearbeitet, mehr als man aufzählen kann, ohne den Leser zu langweilen. Nur eines, aber eines seiner merkwürdigsten Werke sei hier erwähnt: es ist das Teatro Olimpico, das an einem Ende der Stadt am Ufer des fischreichen Bacchiglione liegt.

Man gelangt durch eine ländliche Strasse dorthin, ein verschlafener Kustode öffnet und führt uns in einen Theatersaal. Man steigt auf die Bühne und sieht endlose Säulengänge und Gassen hinab. Die Perspektive bewirkt eine optische Täuschung und dabei sind die Kulissen alle feststehend. Dies Theater ist das letzte Werk Palladios.

Sein Landsmann Scamozzi vollendete es und fünf Jahre nach Palladios Tod, 1585 wurde es mit dem „König Oedipus" von Sophokles eröffnet.

Man wird sich auch nicht die romanisch-gotische Kirche San Lorenzo, einen sehr feierlichen Bau, entgehen lassen, der aus dem 13. Jahrhundert stammt, also ausnahmsweise nicht von Palladio ist.

Wohl aber stammt von ihm die Basilika, wo sich auch sein Denkmal erhebt. Dann die Loggia del Capitano, die Palazzi Porto, Barbaran, Biego, Valmarana und Chiericati (wo sich jetzt das Museo Civico befindet) und nicht zu vergessen der Palazzo della Ragione, das Muster der durch Palladio errungenen venezianischen Klassizität.

Unter den Profanbauten, die er schuf, befindet sich auch die herrliche Villa La Rolonda, die er für den päpstlichen Referendar Paolo Almerigo Capra erbaute, der auf einem luftigen Vorberg der Euganeen das Landleben zu geniessen beschlossen hatte.

Endlich wird man sich auch nicht das Plateau von Asiago entgehen lassen. Man hat von hier eine grossartige Aussicht auf die vom Piave durchflossene Ebene und auf das Massiv des Monte Grappa, wo sich zwischen 1915 und 1918 ebenso blutige wie heroische Kämpfe abspielten.

Doch wir kehren lieber zu unserm Meister Palladio zurück. Wir sitzen vor einem Café und sehen noch einmal die Piazza dei Signori mit der Markussäule und dem Uhrturm an. Und noch einmal den Palazzo Comunale mit seinen edlen vier Säulen.

Und sagen leise: Goethe. Der Geist wird nur vom Geist begriffen. Goethe mit seinem Sinn für das edle Mass musste kommen, um einen Künstler wie Palladio für sich zu entdecken und von ihm zu lernen.

Vicenza ist aber auch eine Stadt der schönen Frauen. Und sie machen uns, mindestens ebenso wie Goethe, den Abschied schwer. Vielleicht von den rotblonden Scharen Barbarossas, vielleicht anderswoher stammt ein eigentümliches Schimmerblond, das zu den dunklen Frageaugen der Vicentinerinnen einen anziehenden Gegensatz bildet.

Abends, wenn man durch die Gassen wandert, hört man sie oft von Fenster zu Fenster sprechen. Ihre Schatten verrinnen, aber ihre Schönheit wird jetzt hörbar.

Man erinnert sich, darüber einmal etwas gelesen zu haben. Und langsam, langsam meldet sich aus dem Halbvergessenen wie mit Eimern heraufgeholt, eine Zeile nach der andern.